Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Christoph Boyer: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (SBZ) bzw. der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) (1945-1989/90)

Christoph Boyer sulfat und andere Rohchemikalien, Zucker und Konsumgüter wie etwa Textilien nach Österreich. Der Anteil der Maschinenexporte betrug etwa zwölf Prozent. Die DDR-Importe bestanden u. a. aus Magnesit, Walzwerkerzeugnissen, Furnieren und Holz, Strickwaren und Schuhen. In beiden Richtungen war somit die Struktur des Warentauschs in den Anfangsjahren von Rohstoffen und einfachen Konsumgütem geprägt. Dass die Güterstruktur die Potenziale der beiden industriell entwickelten Ökonomien offensichtlich nicht ausschöpfte, war jedoch für keinen der beiden Partner ein Stein des Anstoßes. Insbesondere die österreichische Seite war nämlich im Interesse ihrer krisenanfälligen Leichtindustrien an Absatzmärkten für „einfache“ Konsumgüter interessiert.5 3. Erste Ansätze zu einer Normalisierung der Handelsbeziehungen waren 1953 am Rande der Leipziger Messe, zwischen der österreichischen Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft und der Kammer für Außenhandel der DDR, mithin auf Ebene der Nichtregierungsorganisationen zu verzeichnen. Ziel der Verhandlungen war eine bedeutende Steigerung des bilateralen Warenaustauschs. Der in diesem Zusammenhang von der DDR angestrebte - wenn auch zunächst nicht erreichte Austausch von Handelsdelegierten6 war eher politisch als ökonomisch motiviert: Fernziel waren bilaterale politische und Wirtschaftsbeziehungen auf der offiziell- zwischenstaatlichen Ebene; die Beziehungen auf der Kammerebene waren vor diesem Hintergrund für die DDR-Seite ein Provisorium. War die Bundeskammer auch eine staatsnahe Körperschaft des öffentlichen Rechts von beträchtlichem Einfluss auf die staatliche Wirtschaftspolitik, die über enge personelle Verbindungen zur Politik verfügte und als erster Berater der Bundesregierung vor allem in Außenhandelsfragen tätig war, so handelte es sich doch um keine staatliche Behörde im eigentlichen Sinn.7 Am 18. Dezember 1953 wurde ein erstes Kammerabkommen über ein jährliches Handelsvolumen von 18, 15 Millionen Dollar unterzeichnet. Der Vertrag - der im Jahrestumus zu erneuern war - enthielt detaillierte Warenlisten; der Gütertausch erfolgte nach wie vor auf Kompensationsbasis und auf der Grundlage der Reziprozität. Zunächst wurde nicht einmal das im Vertrag fixierte, ziemlich geringe Gütervolumen realisiert; der für 1955 vereinbarte Güteraustausch musste beidseitig 5 BArch-B, DL 2, VA 6 796, Hauptabteilung Handel mit den kapitalistischen Ländern, Referat Österreich, Analyse über den Verlauf und die Ergebnisse der Verhandlungen über das Kammerabkommen zwischen der DDR und Österreich, 4.1.1955. - BArch-B, DL 200, 189, Hauptabteilung Handel mit den kapitalistischen Ländern, Länderreferat Österreich, Handelspolitische Richtlinie für die Abkommensverhandlungen Österreich 1956, 5.11.1956. 6 BArch-B, DL 200, 3, Vermerk über Rücksprache mit dem Rechtskonsulenten der Österreichischen Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft, 6.9.1953. 7 BArch-B, DL 200, 3, Hauptabteilung Handelsbeziehungen, Aktenvermerk über die Besprechung der Österreichfrage. 5.11.1953. 168

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