Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Gertrude Enderle-Burcel: Josef Dobretsberger - ein politischer Grenzgänger im Ost-West-Handel

Josef Dobretsberger - ein politischer Grenzgänger im Ost-West-Handel Ein Ergebnis der Moskauer Wirtschaftskonferenz war eine Entschließung an die UNO, eine Konferenz einzuberufen, die die Intensivierung des internationalen Güteraustausches ohne Diskriminierung zum Ziel haben sollte. International hatte die Konferenz große Beachtung gefunden, da sie trotz heftiger Pressepolemiken im Vorfeld, einen Versuch der Wirtschaft — und nicht der Politik - darstellte, „inmitten der politischen Spannungen zu einer wirtschaftlichen Verständigung zu kommen“.67 Zur Durchführung der Konferenz wurde ein Komitee für die Förderung des Welthandels gegründet, in das Josef Dobretsberger als Vertreter Österreichs gewählt wurde.68 Dobretsberger agierte rund um die Konferenz als der Wirtschaftsexperte und nicht als Parteiobmann der Demokratischen Union. Im Gegensatz zum offiziellen Österreich war er überzeugt, dass der „Osten [...] lieferfähig“ sei, das heißt, dass genügend Waren für eine Intensivierung der Handelsbeziehungen bei den Oststaaten vorhanden sind.69 Vom offiziellen Österreich wurde in geradezu monotoner Weise immer wieder behauptet, dass der Osten erstens weder liefern könne noch wolle (abgesehen von Tomaten und Paprika), zweitens zu hohe Preise verlange und dass wir, drittens, ohne den Osthandel sehr gut auskommen können.70 Jede Reise in den Osten wurde zu dieser Zeit mit Misstrauen verfolgt. Schon im November 1950 hatte Innenminister Oskar Helmer die Sicherheitsbehörden angewiesen, die Ausstellung von Reisepässen für Gruppenreisen in volksdemokratische Staaten von der Erteilung einer ministeriellen Erlaubnis abhängig zu machen, weil, dort selbst vielfach eine politische Tätigkeit entfaltet (wurde), die der Politik der Bundesregierung und der Einstellung der überwiegenden Mehrheit des österreichischen Volkes zuwiderlief und eine Gefährdung des Ansehens und der internationalen Stellung Österreichs darstellte.71 Das offizielle Österreich lehnte Kontakte aus ideologischen Gründen ab und negierte das wirtschaftliche Potenzial, das im Osthandel lag. Die von den USA betriebene Westintegration72 73 Österreichs zeigte Wirkung.7' Bis 1956 hatten die 67 AdR, BMHuW 402-2, GZ1. 130 225/52, ZI. 142 638-IV/28/1952. Vorläufige Ergebnisse der Moskauer Wirtschaftskonferenz. 68 Legradi, Helene: Und auf den Spuren Marco Polos. Kleine Geschichte des österreichischen Osthandels. Wien 1986, S. 13. 69 AdR, BMHuW 402-2, GZ1. 130 225/52, ZI. 143 547/1952. 70 Mitteilungen, Nr. 5, November 1953, Jahrgang 2, S. 1 „Die nächsten Schritte". 71 Fleck: Der Fall Brandweiner, S. 80. 72 Ardelt - H a as : Die Westintegration Österreichs. S. 379 73 Vgl. dazu Einwitschläger, Arno: Amerikanische Wirtschaftspolitik in Österreich 1945-1949. Wien-Köln-Graz 1986. 143

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