Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Andreas Resch: Die Außenhandelsbeziehungen zwischen dem RGW-Raum und Österreich in der Nachkriegszeit - dargestellt im Spiegel der österreichischen Außenhandelsstatistik

Anhand der Datenreihen lassen sich folgende drei Phasen unterscheiden: • dringender Zufuhrbedarf Österreichs und hoher Stellenwert des Außen­handels mit der Tschechoslowakei und Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg • verstärkte Westorientierung der österreichischen Wirtschaft und Abschlie­ßungstendenzen des „Ostblocks“ ab 1948 • etwas rascheres Wachstum des Außenhandels zwischen Österreich und den RGW-Staaten als des gesamtösterreichischen Außenhandels von 1955 bis in die 1960er Jahre In den Abbildungen 1 und 2 ist deutlich ist zu erkennen, dass den mittelost­europäischen Staaten nach 1945 vorerst ein hoher Stellenwert für den österreichischen Außenhandel zukam. Die frachtengünstige räumliche Nähe und ein Anknüpfen an alte Kontakte kamen in der unmittelbaren Nachkriegszeit zur Geltung. Vorerst wirkten noch strukturelle Muster aus der Zwischenkriegszeit nach: 1927 hatte die österreichische Wirtschaft 36 Prozent der Ausfuhren in den späteren RGW-Staaten abgesetzt und 1937 lag diese Quote noch bei 28 Prozent. Die österreichischen Einfuhren stammten 1927 sogar zu 44 Prozent aus den hier betrachteten mittelosteuropäischen Staaten, 1937 noch zu 32 Prozent. Auch 1947 machten die Ostimporte noch 22,7 Prozent der österreichischen Einfuhren aus und 17,4 Prozent der Exporte wurden in diese Region geliefert. 1948 erhöhte sich der Anteil der Importe sogar auf 25,5 Prozent der österreichischen Gesamteinfuhren. Angesichts des dringenden Zufuhrbedarfes der österreichischen Volkswirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Dezember 1945 ein Kompensations­abkommen mit der Tschechoslowakei abgeschlossen. Ähnliche Abkommen mit anderen Staaten des Donauraumes folgten. Bald darauf kam es zu einer Reihe von bilateralen Handels- und Zahlungsverträgen (sog. Offset-Verträge). Sie umfassten Kontingentverträge mit Warenlisten und Zahlungsabkommen in Form von Clearingverträgen. Bis zum Abschluss des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 bestanden auch Handelsverträge zwischen der sowjetischen Besatzungsmacht in Österreich und den ostmitteleuropäischen Staaten, die jedoch der Einflussnahme und vielfach auch der Kenntnis der österreichischen Stellen entzogen waren.2 In Ostösterreich wurden 1946 mehr als 300 Industriebetriebe als ehemaliges deutsches Eigentum beschlagnahmt und in den sowjetischen USIA-Konzem eingegliedert. Zum Wirtschaftsimperium der UdSSR in Österreich gehörten auch die Sowjetische Mineralöl Verwaltung und die in ihrer Besatzungszone liegenden Einrichtungen der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft.3 Es wurde geschätzt, dass Die Außenhandelsbeziehungen zwischen dem RGW-Raum und Österreich 2 Seitz, Wilhelm: Österreichs Außenhandel mit dem europäischen Osten. Gestern - heute - morgen. Dissertation Wien 1960, S. 101. 3 Steiner, Hubert: Die USIA-Betriebe, ihre Gründung, Organisation und Rückgabe im Rahmen der österreichischen Hoheitsverwaltung. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43 41

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