Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Christoph Boyer: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (SBZ) bzw. der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) (1945-1989/90)

während die österreichische Schwerindustrie - und hier insbesondere die verstaatlichte - sowie der Maschinenbau bereit waren, auf die von der DDR vorgeschlagenen strukturellen Änderungen einzugehen.16 3. Nach langwierigen Verhandlungen, gegen den hartnäckigen Widerstand der österreichischen Leichtindustrie und gegen eine intransigente Bundeskammer, wurden 1964 die meisten Wünsche der DDR erfüllt. Deren Stahl, Metallwaren- und Maschinenimporte erhöhten sich, während die österreichischen Leicht- und Konsumgüterexporte, etwa Textilien und Schuhe, sanken. Sieger in diesem Konflikt waren also die „objektiven“ Bündnispartner der DDR: die österreichische verstaatlichte Industrie und ihr „Stützpunkt“ in der Verwaltung in Gestalt der Sektion IV des Bundeskanzleramts. Wurzelte der innerösterreichische Konflikt auch in einer objektiven Divergenz ökonomischer Interessen, so erwiesen sich die Hoffnungen der DDR, nach diesem Vorbild auch künftig die internen Konflikte der Gegenseite instrumentalisieren zu können, als illusionär. Zumindest stellten sich optimistische Erwartungen auf diesem Wege nach und nach sogar Österreichs grundlegende außenpolitische Orientierung „umpolen“ zu können, als nachgerade groteske Übertreibung heraus.17 Seit 1953 war der Handel Österreichs mit den Ländern der OECD und des GATT Schritt für Schritt liberalisiert worden; die DDR hatte hiervon zumindest partiell profitiert. Als in der Folge der geschilderten Auseinandersetzung die österreichischen Konsumgüterexporte in die DDR sanken, reagierte die Leicht­industrie mit protektionistischen Bestrebungen gegen Importe solcher Güter nach Österreich. Hebel waren die Zollbestimmungen, die im Außenhandelsgesetz verankerten Lizenzbestimmungen und das Antidumpinggesetz. Häufig verweigerte die Bundeskammer als Vertreterin mittelständischer Interessen Importgeneh­migungen. Ein weiteres Handelshindemis war das Prinzip, dass alle Importe unverzüglich durch exakt spezifizierte gleichartige oder ähnliche Exporte in die Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und der Sowjetischen Besatzungszone 16 BArch-B, DL 2, VA/N 236, Hauptabteilung Außenhandelspolitik Kapitalistischer Westen/Leiter, Konzeption für die Verhandlungen mit der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft, 16.5.1963. - Ebenda, Landerreferat Österreich, Konzeption für die Verhandlungen über das Abkommen 1964 mit Österreich, 10.6.1963. - BArch-B, DL 2, VA/N 236, Stellvertreter des Ministers, Bereich Handelspolitik Kapitalistischer Westen, Direktive für die Durchführung der Abkommens­verhandlungen für die Jahre 1964/66 mit der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft, 15.10.1963. 17 BArch-B, DL 2, VA 6 796, Auswertung und Abrechnung der Abkommensverhandlungen zwischen der Kammer für Außenhandel und der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft, undatiert [Ende 1963], - BArch-B, DL 2, VA/N 236, Stellvertreter des Ministers, Bereich Handelspolitik Kapitalistischer Westen, Direktive für die Durchführung der Abkommensverhandlungen für die Jahre 1964/66 mit der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft, 15.10.1963. - BArch-B, DL 2, VA/N I 544, Bericht über die Reise der Außenhandelsdelegation unter der Leitung des Stellvertreters des Ministers, Gen. Beil nach Österreich, undatiert [1964], - Ebenda, Lander­konzeption 1965 Österreich, 15.1.1965. - Ebenda, 5. Europäische Abteilung, 30.10.1965, Außenpolitische Empfehlung für die Reise der Außenhandelsdelegation unter Minister Beil nach Österreich. - Ebenda, Jahresanalyse der Handelsvertretung der DDR in Österreich 1965. 173

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