Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Roman Stolzlechner: Österreichs Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR und die Bedeutung der KPÖ-Firmen

Roman Stolzlechner beitrugen, zum Teil aber durch Zerstörungen während des Krieges und Demontagen nach dem Krieg wieder verloren gingen. Immerhin war es aber durch den Ausbau der Energiegrundlagen, der chemischen Industrie und der Textil-, Bekleidungs- und Papierindustrie zur erheblichen Verbesserung der ökonomischen Basis gekommen. Die Wiederherstellung bzw. Fertigstellung und effiziente Nutzung der im Krieg begonnenen Projekte wurde nach dem Krieg vor allem durch die Marshallplan-Hilfe gewährleistet. Mit den Anfängen des Kalten Krieges wuchs das Interesse der USA, Österreich wirtschaftlich zu stärken und zu stabilisieren, um die österreichische Bevölkerung für sich zu gewinnen. Durch seine wirtschaftliche Schwäche und die sowjetische Besetzung der östlichen Landesteile schien Österreich in besonderem Maße gefährdet und wurde daher, im Unterschied zur DDR, nicht nur in einen riesigen Wirtschaftraum mit den ökonomisch mächtigsten Volkswirtschaften integriert, sondern zugleich auf Grund seiner politischen Lage und des Kalten Krieges von der industriell fortgeschrittensten Nation, der USA, beim Wiederaufbau und Ausbau seiner Produktionskapazitäten unterstützt. Dass die Integration in den westlich-amerikanischen Wirtschaftsraum in der Nachkriegszeit auch andere Konsequenzen haben kann, ist unter anderem am Beispiel Argentiniens und anderer südamerikanischen Staaten leicht zu sehen. Die österreichische Wirtschaft erhielt somit wesentlich bessere Entwicklungschancen als die SBZ. So erreichte z. B. die Wertschöpfung der österreichischen Industrie 1946 die Hälfte jener des Jahres 1937, 1948 lag sie bereits bei 93,3 Prozent und 1952 war sie bereits um 65,1 Prozent höher. Noch stärker entwickelte sich die Bauwirtschaft, die 1946 89,8 Prozent des Niveaus von 1937 erbrachte, 1948 aber schon um 61,8 Prozent und 1952 um 167,5 Prozent über dem Niveau von 1937 lag. Nur die Landwirtschaft hinkte nach und erreichte 1952 erst knapp die 1937 erzielte Wertschöpfung.5 In der DDR erreichte die landwirtschaftliche Produktion 1946 etwa die Hälfte, 1952 nach westlichen Schätzungen immerhin 91 Prozent des Standes von 1936, sank dann wieder im Zuge der Kollektivierung und erreichte erst um 1960 das Vorkriegsniveau. Das ostdeutsche Bruttosozialprodukt erreichte 1955/56 das Vorkriegsniveau und übertraf es erst 1958 (60 Prozent des westdeutschen Konsums). Bei der Produktivitätsentwicklung springt ins Auge, dass für die DDR-Industrie lediglich die T e x t i 1 i n d u s t r i e ein schnelleres Wachstum der Produktivität gegenüber der Entwicklung der Produktion aufwies, also absolut Arbeitskräfte frei­gesetzt wurden. Die Produktivitätskapazitäten waren größtenteils rückständig, weil im Zuge der hauptsächlich auf extensiver Basis betriebenen Industrialisierung die Abschreibungen weitgehend nicht für Re-, sondern für Erweiterungsinvestitionen 5 Butschek, Felix: Die österreichische Wirtschaft im 20. Jahrhundert. Stuttgart 1985, S. 93. 156

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