Sonderband 4. Das Institutionserbe der Monarchie. Das Fortleben der gemeinsamen Vergangenheit in den Archiven (1998)

Pál Pritz: Geschichte des ungarischen auswärtigen Dienstes 1918-1945

Pâl Pritz Mitte 1937 öffnete die ungarische Gesandtschaft in Stockholm aus wirtschaftli­chen und politischen Gründen wieder ihre Tore. Peter Matuska wird der Gesandte, der ganz bis August 1943 in der schwedischen Hauptstadt blieb, so lange als bis das auch in der ungarischen Gemeingeschichte festgelegte Ereignis zur Tatsache wird, daß Antal Ullein-Reviczky - in engem Zusammenhang mit der außenpolitischen Linienführung, den Friedensbestrebungen von Miklös Källay - zum neuen Gesand­ten ernannt wurde. Ende 1936 wird die ungarische Gesandtschaft in Brasilien von neuem geöffnet, an deren Spitze 1939 - wie es die Gemeingeschichte ebenfalls festgelegt hat - der jüngere Sohn des Landesverwesers, Miklös Horthy jun. gestellt wird. Im ersten Vierteljahrhundert des selbständigen ungarischen Außenministeriums war es bei weitem keine verbreitete Praxis, außenstehende Personen an hohe diplo­matische Posten zu ernennen. Der ungarische Dienst hütete mit großer Intaktheit jene Tradition, der gemäß die Diplomatie eine geschlossene Welt sei, in der zum Erreichen von höheren Posten das Durchwandeln der internen Rangleiter ange­nommen wurde. Es kann nicht behauptet werden, daß dies damals im internationa­len Leben eine ungebrochene Tradition gewesen wäre. In den diplomatischen Diensten, führenden Standorten der Nachbarländer dienten in beträchtlicher Zahl solche Politiker, die bei der Erschaffung des neuen Staates eine bedeutende Rolle gespielt, beträchtliche Verdienste erworben hatten. So war dies besonders in der tschechoslowakischen Diplomatie, wo Benes die im Tschechoslowakischen Natio­nalrat ausgeübte Arbeit, die Zugehörigkeit an die in Sowjet-Rußland tätige tsche­choslowakische Legion mit reich dotierten Stellungen im Außendienst honorierte. Auch in der Zusammensetzung des zeitgenössischen französischen diplomatischen Dienstes zeigte sich die Einwirkung der französischen Innenpolitik, bei je einem politischen Erdrutsch blieben die Folgen auf die wichtigeren diplomatischen Posten nicht aus. In der Diplomatie der Vereinigten Staaten zeigten sich die Auswirkun­gen der innenpolitischen Kurswechsel auf eine noch auffallendere Weise. Oft ge­nügte es irgendeinen Wahlkampf mit größeren Summen zu beeinflussen, um nach­her den aus dem Kampf siegreich hervorgehenden Präsidenten zu bewegen, die er­haltene materielle Unterstützung mit Posten von Gesandten oder Botschaftern zu honorieren. Solche „Diplomaten“ - noch mehr ihre Gattinnen - gaben dann wäh­rend ihrer Amtstätigkeit ihren andere Mächte vertretenden Kollegen ungezählte Gelegenheiten dazu, in farbigen Berichten über deren Ungeschicklichkeit, Dilet­tantismus, im Wesen über das niedrige Niveau der damaligen amerikanischen Di­plomatie zu referieren. Hinter diesen - im Wesen mit Geld erkauften - Posten war dann die zweite Garnitur zu finden, die die Angelegenheiten fachgemäß erle­digte, die Fehler ihrer Chefs warfen aber unvermeidlicherweise ein schiefes Licht auf die gesamte amerikanische Diplomatie. Natürlich konnte man auch bei der sowjetischen Diplomatie nicht von einer fach­gemäß ausgebildeten Diplomatie sprechen. Die aus dem zaristischen Dienst über­nommenen Personen bildeten nur eine zwergenhafte Minorität gegenüber den Leuten, die die bolschewistische Partei an die ausländischen Vertretungen entsen­dete, diese an ihre Spitze stellte. Bei allem muß man jetzt nicht nur die Zusammen­hänge mit den Fachkenntnissen betonen, sondern auch die Macht der vorherr­9

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