Sonderband 4. Das Institutionserbe der Monarchie. Das Fortleben der gemeinsamen Vergangenheit in den Archiven (1998)

Pál Pritz: Geschichte des ungarischen auswärtigen Dienstes 1918-1945

Pâl Pritz fassenden Daten gemäß betrug die Zahl der Angestellten im auswärtigen Dienst im Haushaltsjahr 1921/1922 661 Personen, welche Zahl dann für das Jahr 1930/1931 auf 591 reduziert wurde. Diese 10%ige Rückentwicklung war im Wesen gleich mit jener 10%igen Reduktion, die im Personalstand der Angestellten des ungarischen Staates ungefähr in demselben Zeitintervall eingetroffen war. Pal Teleki - der 1920/1921 Ministerpräsident und inzwischen auch dreimal Außenminister gewesen war - richtete im April 1920 einen Brief an die diplomati­schen Missionen. Darin stellte er fest: ihr Ziel bestände darin, die in dem gemeinsa­men auswärtigen Dienst bewährten und als gut empfundenen Verordnungen auch im ungarischen auswärtigen Dienst einzubürgern. Wir können hinzusetzen: diese Einstellung charakterisierte nicht nur die Auffassung Telekis, sondern durchdrang auch die ganze Organisierung des auswärtigen Dienstes. Zum Beispiel war es 1921 - und auch später eine ziemlich lange Zeit hindurch - ein Grundsatz, daß in den bisweilen noch ungeregelten Fragen die Verordnungen des ehemaligen gemeinsa­men Dienstes maßgebend seien. Teleki formulierte übrigens vielfältig seine den Angestellten im auswärtigen Dienst gegenüber gestellten Erwartungen. Sie sollten vom Verantwortungsgefühl durchdrungen sein, ihre Kenntnisse ständig vertiefen und vor allem in nationalöko­nomischen Fragen eine gut brauchbare Bewandertheit bezeugen, den jungen Di­plomaten sollten sie bewußt machen, daß die mit ihrer Laufbahn einhergehenden Vergünstigungen „ausschließlich ihrem Posten entspringen, und daß die Interessen des Dienstes durch keinerlei persönliche Interessen oder gesellschaftliche Ver­pflichtungen verdrängt werden dürften“. In den Kontakten mit dem Ausland - wie er sie abschließend ersuchte - „solle für unsere Diplomaten das mit Beschei­denheit gepaarte Selbstbewußtsein charakteristisch sein“4. Aus der gegebenen Situation zeigte sich eindeutig, daß der auswärtige Dienst am meisten für den Aufstieg des Landes leisten könne, wenn er durch Ausbau der außenwirtschaftlichen Beziehungen zur Wiederaufrichtung der darniederliegenden Wirtschaft beiträgt. Im Interesse dieser Bemühung wurden von der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten auch zahlreiche Konsularbeamte - ohne in den di­plomatischen Status übernommen zu werden - in Gesandtschaften versetzt, und die Gesandtschaften hatten auch Konsulartätigkeiten zu verrichten. Günstig wirkte dabei, daß viele der leitenden Diplomaten noch die, eine gründliche nationalöko­nomische Ausbildung bietende Konsularakademie absolviert hatten; mehrere von diesen erreichten ihre Übernahme in den diplomatischen Status noch im k.u.k.- Dienst, so z. B. Kalman Känya, Rezsö Wodianer, Ferenc Kolossa, Lajos Ambrözy. Noch größer war die Zahl derer, die im neuen Dienst umgestuft wurden. Um hier nur die wichtigsten Persönlichkeiten zu nennen: Läszlö Tahy, Virgil Pösfay, Lajos Rudnay, Jânos Pelényi, der Baron Gabor Apor, Zoltän Mariässy. Um noch bei den subjektiven Faktoren zu bleiben: unter diesem Aspekt kann auch das Minister­amt des gründlich ökonomisch ausgebildeten Lajos Walko positiv erwähnt werden. Eine ähnlich positive Erscheinung war auch das Zurückdrängen der Diplomaten 4 Iratok (Dokumente) Nr. 193. 3

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