Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

Thomas Winkelbauer: Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645

FINANZNOT UND FRIEDENSSEHNSUCHT Der Kaiserhof im Jahre 1645 von Thomas Winkelbauer Der Beginn der letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges wird gemeinhin mit der Schlacht bei Rocroi am 19. Mai 1643 datiert, in der die französische Armee unter dem Herzog von Enghien (dem späteren „Großen Condé“) der spanischen Armee unter Francisco de Melo eine verheerende Niederlage zufugte. Von den 18 000 Fuß­soldaten des spanischen Heeres wurden etwa 8 000 getötet und 7 000 gefangenge­nommen; 24 Geschütze, zahllose Waffen und der Kriegsschatz fielen Enghien in die Hand1. Das dem Zusammenbruch der spanischen Militärmacht folgende Ende der Unterstützung der Kriegführung Kaiser Ferdinands III. durch spanisches Geld und spanische bzw. spanisch-niederländische Truppen führte dazu, daß der Kaiser, nachdem er bereits im Juli 1642 den Hamburger Präliminarvertrag ratifiziert hatte, endlich „auf die Rufe nach einem Friedensschluß positiv reagierte“2. Nach Verzöge­rungen infolge des Schwedisch-dänischen Krieges und des Streits um die stimmbe­rechtigte Teilnahme der Reichsstände konnte der Friedenskongreß in Münster und Osnabrück allerdings, nachdem die Gesandten seit dem Sommer 1643 nach und nach eingetroffen waren, erst am 4. Dezember 1644 durch den Austausch der ersten Propositionen Frankreichs, Schwedens, des Kaisers und Spaniens in Gang gebracht werden3. Die Kriegsjahre 1644 und 1645 beseitigten auf kaiserlicher Seite die letzten Hoff­nungen, einen „Siegfrieden“ erzwingen zu können. Von der etwa 18 000 Mann star­ken kaiserlichen Armee, mit der Generalleutnant Matthias Graf Gallas im Früh­sommer 1644 nach Holstein gegen die von Feldmarschall Lennart Torstensson4 geführten Schweden gezogen war, sollen - ohne daß eine größere Schlacht stattge- funden hätte - nach Massendesertionen kaum mehr als 1 000 Mann (anderen Anga­1 Wedgwood, C(icely) V(eronica): Der Dreißigjährige Krieg. München 3. Aufl. 1988 [engl. Original- ausg. 1966, 1. Aufl. 1938], S. 428. - Der vorliegende Beitrag ist die schriftliche Fassung eines im Juni 1995 im Rahmen des Symposiums „Mähren und Brünn am Ausgang des Dreißigjährigen Krieges“ in Brünn gehaltenen Vortrags und wurde - ohne Verschulden des Autors - irrtümlicherweise nicht in den mittlerweile vorliegenden Tagungsband aufgenommen: Morava a Brno na sklonku tricetileté vâlky [Mähren und Brünn am Ausgang des Dreißigjährigen Krieges], redigiert von Jan Skutil. Praha Brno 1995. Für hilfreiche Kritik danke ich Honorarprofessor Dr. Leopold Auer. 2 Parker, Geoffrey: Der Dreißigjährige Krieg. Frankfiirt/Main-Darmstadt 1987 [engl. Originalausg. 1984], S. 256. 3 Vgl. v. a. Dickmann, Fritz: Der Westfalische Frieden. Münster 6. Aufl. 1992 [= Nachdr. der 5. Aufl.]. 4 Zu Torstensson als dem wohl bedeutendsten Feldherm der letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges vgl. kurz Broucek, Peter: Der Schwedenfeldzug nach Niederösterreich 1645/46. Wien 1967 (Militärhistorische Schriftenreihe 7), S. 25 f. und passim. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderband 3/1997 1

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