Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Peter Gasser bzw. 18. März 1719 an Fabrikanten, Kauf- und Handwerksleute gerichtete Aufforde­rung, nach den beiden Seestädten zu übersiedeln, zum größten Teil auf taube Ohren stieß, da ihnen der Levantegroßhandel sowie die aussichtsreichsten Industriezweige ohnehin versperrt bzw. der Kompanie Vorbehalten sein sollten. Der Hinweis auf eine aktienmäßige Beteiligung an der Gesellschaft machte überdies eine Übersiedlung nach dem Litorale überflüssig. In seinem Studio storico della imperiale privilegiata Compania Orientale nel se­co lo seorso e del Lloyd Austro-Ungarico nel secolo presente berichtet Giovanni Bussolin, daß mancher mit den lokalen Verhältnissen gut vertraute Schriftsteller sich nicht nur skeptisch, sondern oft in kaum verhüllter Erbitterung „con mal celata acrimonia“ über die Gesellschaft geäußert hätte100. Die Interessen der Gesellschaft in Triest vertraten Anton Freiherr von Marenzi als Regierungskommissär und als Generalagent Federico Pandolfo Österreicher. Die Kompanie verfügte über eine Anzahl von Schiffen, die teils fertig angekauft, teils auf ihrer eigenen in Triest eingerichteten Werft erbaut worden waren. Als Schiffsbauer waren zunächst ein gewisser Davanzo, wohl ein Istrianer aus Rovigno, später ein Däne namens Fuchs-Chersen, der Wallone Rainald Boyer und schließlich Pietro Nocetti tätig. Die größeren Schiffe führen vornehmlich nach Konstantinopel und Smyrna, wobei sie einen großen Teil ihrer Rückladung in Venedig löschten. Die kleineren Fahrzeuge besuchten Albanien, die Inseln der Ägäis, Messina, den apuli- schen Salzhafen Barletta und Sinigaglia, vor allem anläßlich der dortigen Herbst­messe. Der rechtliche Status und die auf dem heutigen Börseplatz in der Nähe des gegen­wärtigen Stadttheaters des Tergesteo errichteten Magazine, Depots sowie Werft und Arsenal der Orientalischen Handelskompanie gaben des öfteren Anlaß zu Streitigkei­ten mit der Stadtverwaltung101. Sicherlich war manches wie etwa der Vorwurf, Ver­brecher hätten nach Gewalttaten im Kompaniegelände Asyl gefunden, übertrieben. Als aber 1727 ein von Gesellschaftsangehörigen schwunghaft betriebener Schmuggel 100 B ii s s o 1 i n : Compagnia Orientale, S. 55. Leider führt der Verfasser in diesem Falle keine Namen an. Hingegen lautet ein von Bussolin zitiertes Urteil des angesehenen Triestiner Patriziers, Historikers und Anwalts, Dr. Domenico Rossetti, durchaus günstig. Rossetti, zwar ein Gegner monopolistisch ausgerichte­ter Wirtschaftssysteme, wich im voliegendem Falle von seiner Grundeinstellung ab und sah in der Tätig­keit privilegierter Handelsgesellschaften die einzige Chance für die ohnehin rudimentär entwickelte Indu­strie der Erblande. „Per quanto le privative e monopoli siano generalmemte pregiudiciali al commercio, altretanto utili erano quelle che a quel tempo fürono accordate alla compagnia awegnachè, esse solo pote- vano awiare ed inccoragiare la mercatura, e la industria in uno stato, in qui erano poco meno che man- canti del tutto. II privilegio perô die questa Compagnia Orientale potrebbe considerarsi come atto alio sco­po del bramato commercio e navigatione di Trieste ... Questa compagnia per altro non reccô pregiudicio al nascente commercio Triestino awegnachè nei citati sanzionati suoi statuti la qualité del commercio venne talmente estesa, che vi trovô implicitamente compresso anche quello di Trieste.“ 101 E b e n d a, S, 153: „... perché è di nostro sommo dispiacere che per queste differenze insorte venga impedi­to Faumento dei commercio non porta derivare il buon proseguimento che speriamo della compagnia.“ Ab 1736 wurde Pandolfo Federico Österreicher, bevollmächtigter Generalvertreter der Orientalischen Kom­panie in Triest, Präsident des Merkantilgerichtes, dessen neue Assessoren von nun an gleichfalls dem Han­delsstande entnommen wurden. Eine konfliktfreie Gestaltung der Beziehungen zwischen Gemeinde und Gesellschaft konnte aber auch dadurch nicht erzielt werden. 64

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