Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

Thomas Winkelbauer: Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645

Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645 zu Hilfe kommen konnte32. Nach den Schlachten bei Jankau und Alerheim „gab es keine katholische Feldarmee mehr, die den Schweden und ihren Verbündeten Wi­derpart bieten konnte; und alle Welt wußte es“33. Am 6. September 1645 schloß Kurfürst Johann Georg von Sachsen einen Waffenstillstand mit Schweden, wodurch das bis dahin in Sachsen operierende Korps Königsmarcks frei wurde und sich gegen die habsburgischen Länder (Oberlausitz, Nordböhmen, Schlesien) wenden konnte34. (Kurbrandenburg, der neben Bayern und Sachsen dritte armierte reichsständische Bündnispartner des Kaisers nach dem Prager Frieden, war bereits im Jänner 1641 aus dem Krieg ausgeschieden35.) In der Not des Jahres 1645 wurde wieder ein umfassendes Generalkommando über die kaiserliche Armee eingeführt. „Nach den Erfahrungen, die man mit Wallenstein gemacht hatte, kam für diesen Posten nur der Bruder des Kaisers in Betracht.“36 Erzherzog Leopold Wilhelm, der am 12. März in Linz die Leitung der oberösterrei­chischen Landesverteidigung übernommen hatte, erhielt mit Datum vom 1. Mai 1645 eine „Pienipotenz und [...] Vollmacht“, mit der ihm die volle Kriegsgerichts­barkeit einschließlich der Verhängung der Todesstrafe, gänzliche Unabhängigkeit vom Hofkriegsrat und volle Verfügungsfreiheit in der Aufbringung und Verwendung von Kontributionen und anderen Geldern, d. h. wesentliche Rechte des Kaisers als oberstem Kriegsherrn übertragen wurden. Außerdem wurde er bevollmächtigt, alle freigewordenen Regimenter zu vergeben und alle Beförderungen mit Ausnahme der Kreierung von Feldmarschällen vorzunehmen. Er durfte sowohl im Reich als auch in den Erblanden nach Belieben werben und rekrutieren sowie Anleihen aufnehmen, ja sogar im Namen des Kaisers mit den Ständen aller Erblande über Angelegenheiten der Landesverteidigung verhandeln. „Alle diese Befugnisse gaben dem Bischof- Erzherzog eine Machtfülle, wie sie seit Wallenstein kein General mehr besessen hatte.“37 Genaue Zahlen über die 1645 in den einzelnen Ländern tatsächlich eingegangenen Steuern stehen mir nicht zu Verfügung. Fest steht, daß der für die Verteilung der Kontributionen auf die böhmischen und österreichischen Länder anzuwendende Schlüssel seit der Prager Ländertagung des Jahres 1542 bzw. seit 1552 theoretisch bis 1655 unverändert beibehalten wurde. Von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts entfielen demnach von der Gesamtsumme der von den Landtagen Immler: Maximilian I., S. 110-113; Wedgwood: Der Dreißigjährige Krieg, S. 450; Parker: Der Dreißigjährige Krieg, S. 261. 33 Parker: Der Dreißigjährige Krieg, S. 263. 34 Wedgwood: Der Dreißigjährige Krieg, S. 451; Parker: Der Dreißigjährige Krieg, S. 263. 35 Vgl. z. B. Opgenoorth, Emst: Friedrich Wilhelm. Der Grosse Kurfürst von Brandenburg. Eine politi­sche Biographie, 1. Teil: 1620-1660. Göttingen 1971, S. 89-95. 36 Ruppert: Politik, S. 83. Vgl. v. a. Broucek, Peter: Erzherzog Leopold Wilhelm und der Oberbefehl über das kaiserliche Heer im Jahre 1645. In: Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien 4 (1969), S. 7-38. Siehe auch Ledel, Eva-Katharin: Studien zur Privatkorrespondenz Kaiser Ferdi­nands III. Die Briefe an Erzherzog Leopold Wilhelm 1640-1643, 1645. Wien (ungedr. Staatsprüfimgsar- beit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung) 1992. 37 Broucek: Leopold Wilhelm, S. 34 und passim. Siehe auch Liva (Bearb.): Prameny, Teil 7, S. 344 f. und öfter. 6

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