Sonderband 2. International Council on Archives. Dritte Europäische Archivkonferenz, Wien 11. bis 15. Mai 1993. Tagungsprotokolle (1996)
Opening Session / Séance d’ouverture
Opening Session — Séance d’Ouverture bewältigen, was damals passiert ist, konnten wir im Grunde genommen erst, als auch die Ministerratsprotokolle dieser Tage wissenschaftlich bearbeitet und veröffentlicht waren; und ich persönlich, der ich mich mit einem Teil der damaligen Streitkräfte identifiziere, kann aufgrund dieser Fakten verstehen und gemeinsam mit vielen anderen für ein andermal im Sinne von Jacob Burckhardt lernen. In diesem Sinne haben wir gerade im Hinblick auf die schon öfter angesprochenen, sehr dynamischen Entwicklungen in Europa sicherzustellen, und Sie an vorderster Front, daß ein solches Verbrechen an historischem Kulturgut vermieden und daß die Aufarbeitung der eigenen Geschichte in Angriff genommen wird, und nicht das stattfindet, was ich vorhin ein Wegräumen von Gerümpel der Geschichte genannt habe. Dazu bedarf es eines intensiven Gesprächs, und ich bin davon überzeugt, daß hier in Wien in dieser Hinsicht schon einige dieser Fachgespräche begonnen haben. Es ist sehr viel an Technologietransfer notwendig, aber ganz einfach auch an menschlichem Rückenstärken und wahrscheinlich auch an wirtschaftlicher Hilfe, um sicherzustellen, daß hier auch unter der Verwendung von neuesten Medien und Techniken eine hervorragende Arbeit geleistet werden kann. Der zweite Irrtum, den man als Außenstehender im Umgang mit Archiven mitunter begeht, ist zu glauben, die Archivtechnologie sei Mitte des vorigen Jahrhunderts stehengeblieben. Gerade hier gilt es ja, moderne Medien dazu zu verwenden, um sicherzustellen, daß wichtiges, historisch bedeutendes Archivgut durch die Benutzung nicht Schaden nimmt, aber trotzdem der wissenschaftliche Zugang möglich ist. Moderne Technologien wie die Datenverarbeitung spielen hier eine wesentliche Rolle. Meine Damen und Herren, ich weiß, daß Archivare auch überaus kreative und künstlerische Menschen sind. In Österreich haben wir hier ein ganz wesentliches Beispiel, denn der Direktor des Hofkammerarchivs, Franz Grillparzer, war einer unserer bedeutendsten Dichter des vorigen Jahrhunderts. Ich hoffe, daß Sie in diesem Sinne nicht nur Wien als eine Begegnung für archivwissenschaftliche Gespräche empfinden, sondern daß Sie auch von dieser Stadt ein bißchen etwas kennenlernen, daß Sie nicht nur die Papiere als Zeugnis der Geschichte besprechen, sondern auch die steinernen und weitere Kulturgüter auf sich wirken lassen. In diesem Sinne freue ich mich, Sie heute Abend im Bundeskanzleramt bei einem Empfang begrüßen zu dürfen, und darf Ihnen für Ihre Beratungen viel Glück und viel Erfolg wünschen. Ich erkläre hiemit die Dritte Europäische Archivkonferenz für eröffnet. 11