Schiriefer, Andreas: Deutsche, Slowaken und Magyaren im Spiegel deutschsprachiger historischer Zeitungen und Zeitschriften in der Slowakei - Interethnica 9. (Komárno, 2007)
2 Methodische und analítische Grudnlagen
Hinweis, dass alle Institutionen, die man mit der Ausbildung, Bewahrung und Verbreitung von nationaler Identität in Verbindung bringen könnte, wie etwa Parlamente, Volksliteratur, Rechtwesen, Schulen usw., modernen Ursprungs seien. Doch auch wenn man aufgrund solcher gleichsam infrastruktureller Neuerungen eine direkte Verbindung ablehnt, so ist die Vermutung dennoch plausibel, dass auch bei einer Neuschaffung von nationaler Identität auf Vergangenheit oder Mythen einer Bevölkerungsgemeinschaft zurückgegriffen wurde. Der Hinweis auf die fragliche Kontinuität der beiden Erscheinungen kann jedoch für die Frage sensibilisieren, wie stark innerhalb der Zeitungen auf die Vergangenheit und Mythen einer Gemeinschaft zurückgegriffen wurde bzw. sich Anzeichen für die Neuschaffung moderner nationaler Identitäten zeigen. Bleibt man offen für diese Frage, so erscheint es doch sinnvoll, sich die Merkmale zu vergegenwärtigen, die Smith für die ethnische Identität festhält. Er nennt einen gemeinsamen Namen, Mythen einer gemeinsamen Vergangenheit, gemeinsame historische Erinnerungen (die sich auch in Mythen verlieren können), Elemente einer gemeinsamen Kultur, die sie von denen anderer Gruppen unterscheiden, die Assoziation eines Heimatlandes und schließlich das grundlegende Gefühl der Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit in großen Teilen der Bevölkerung.14 Eine große Rolle innerhalb der kulturellen Gemeinsamkeiten spielte hier sicherlich auch die Verwendung einer gemeinsamen Sprache. Interessant für die Untersuchung einzelner Bevölkerungsgruppen im Hinblick auf ihr ethnisches Bewusstsein erscheint auch die Annahme von Smith, dass eine Loyalität gegenüber verschiedenen ethnischen Gemeinschaften durchaus möglich sei - er spricht von „concentric circles of allegiance“15. Man kann geneigt sein, auch die Deutschen in Ungarn mit guten Gründen einer solchen ethnischen Gemeinschaft zuzuordnen. Doch es sind hier noch weitere Aspekte zu beachten, etwa Hobsbawms Überlegungen die Deutschen betreffend. Darüberhinaus sollen alle hier gemachten bzw. zitierten Erklärungsversuche den Ergebnissen der Untersuchung nicht vorgreifen, die Aufschluss in der einen oder anderen Richtung geben können. Als dringendsten Unterschied zwischen einer ethnischen Gemeinschaft oder Ethnie und einer Nation gibt Smith die Existenz eines tatsächlichen Territoriums an. Während ethnische Gemeinschaften sich lediglich auf historische oder auch symbolische Ansprüche berufen können, besitzen Nationen Territorien tatsächlich. Weitere Elemente wie eine gemeinsame Ökonomie, eine Gesetzgebung sowie gemeinsame festgelegte Rechte und Pflichten für alle, machen nach Smith ethnische Gemeinschaften zu Nationen und sind ausschlaggebend für ein Gefühl von nationaler Identität.16 Für die Bewertung vorstaatlicher, aber meiner 14 Smith, Anthony D.: National Identity, London 1991, S. 21. 15 Smith, Anthony D.: National Identity, London 1991, S. 24. 16 Nach Smith, 1991, S. 14, kann eine Nation definiert werden, „as a named human population sharing an historic territory, common myths an historical memories, a mass, public culture, a common economy and common legal rights and duties for all members." 21