Liszka József (szerk.): Az Etnológiai Központ Évkönyve 2014 - Acta Ethnologica Danubiana 16. (Dunaszerdahely-Komárno, 2014)
Tanulmányok, közlemények - Vataščin Péter: Egy ormánsági törpefalu. Kemse település- és közösségvizsgálata
wurde vorausgesetzt, dass man in solchen Gemeinden spezifische Prozesse des gesellschaftlichen Lebens beobachten kann. Der dritte Begriff ist der der „Kommunität“ - hier stützen wir uns auf die Theorie von Ronald Wild. Für ihn bedeutet Kommunität (community) etwas Tradiertes, wie etwa eine Gemeinde, die Verwandtschaftsbeziehungen, die lokale Geschichte usw. Der Begriff „Kommunion“ (communion) stellt dagegen etwas Aktives dar und dient als Ausdruck für jegliche zeitgenössische menschliche Tätigkeit. Die „Gesellschaft“ ist eine Makrodimension, d. h. die regionalen Gegebenheiten, der Staat usw. Dieser Aufsatz widmet sich vor allem der aktiven Dimension (communion) sowie den lokalen Gegebenheiten (community). Obwohl Kemse ein typisches Zwergdorf ist (in den Jahren 2011-2012 zählte die Gemeinde 58 Einwohner), gibt es eine Reihe fachlicher Publikationen, die sich mit dem Dorf befassen. Abgesehen von dem wissenschaftlichen Wert der einzelnen Studien haben beinahe alle Publikationen einen gemeinsamen Charakterzug, indem sie konstatieren, Kemse sei ein „versunkenes Dorf“. Diese Bezeichnung ergibt sich aus dem Namen eines berühmten soziographischen Werkes aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Vision eines versunkenen Dorfes ist daher zum wichtigsten diskursiven Profil der Gemeinde geworden. Trotzdem existiert Kemse bis zum heutigen Tag. Aus diesem Grunde sind Forschungsansätze notwendig, die sich gewissermaßen auf die gesellschaftliche Totalität beziehen. Auf den ersten Blick mag es erscheinen, als wäre das Moment der Versunkenheit Wirklichkeit. Grund für diese Feststellung sind die folgenden Fakten: der Ort liegt an der Peripherie, die geringe Anzahl der gesellschaftlichen Ämter und Institutionen der Selbstverwaltung, die gesellschaftlichen Statistiken, die Not zur Migration, die dünne Besiedlung oder die Arbeitslosigkeit. Man sollte jedoch betonen, dass die Selbstverwaltung gut funktioniert, der Bürgermeister und die anderen Amtsinhaber so gut wie unentgeltlich arbeiten und dass das Dorf schuldenfrei ist. Die einzige, wirklich gut funktionierende kommunale Institution ist die Kneipe. Es ist eine interessante Tatsache, dass die Statistiken trotz all den Mängeln einen relativ hohen Index der Lebensqualität belegen. Es soll auch die Morphologie des Gemeinde erwähnt werden: das Dorfgebiet hat einen kreisförmigen Grundriss. Dies stellt in Ungarn eine Seltenheit dar. Es ermöglicht den Einwohnern eine spezifische Qualität der Proximität (Nähe, Sichtbarkeit) und wurde zum Subjekt verschiedener symbolischer Interpretationen (ursprüngliche Form der Besiedlung). Das Dorf funktioniert praktisch wie eine einzige große Nachbarschaft. Auf der lokalen Ebene zeichnet sich Kemse mit einem festen diskursiven Status aus. Sowohl die Dorfbewohner als auch die Menschen aus der direkten Umgebung sagen, dass diese Gemeinde einer großen Familie ähnelt: es gibt wenige Streitigkeiten, der ehemalige Bürgermeister hat Ordnung geschafft, und es existiert praktisch keine Kriminalität. Die markantesten Gegenbeispiele kann man in den Nachbargemeinden Piskó und Lúzsok sehen, deren Bewohner selbst zugeben, dass es sich um eine tatsächlich spürbare Differenz handelt. Von den Bewohnern von Kemse werden nämlich zwei grundlegende Normen akzeptiert: die Pflege der Häuser sowie die stete gegenseitige Hilfe. Die Abweichung von diesen Normen ist nicht strafbar und zieht in der Praxis bloß geringe verbale Konsequenzen nach sich. Einer der Hauptakteure dieser Bestrebungen ist der ehemalige Bürgermeister gewesen, der im Dorf trotz den Problemen wie Armut und Arbeitslosigkeit eine innere Ordnung schaffen konnte. Dieses Wertsystem funktioniert auch nach seinem Tode weiter. Der neue, jüngere Bürgermeister, der mit seinem Vorgänger verwandt ist, wurde von den Bewohnern selbst gebeten, das Amt anzunehmen. Es ist sehr wichtig hervorzuheben, dass die jetzige Gemeindeführung das Vertrauen der gesamten Bevölkerung genießt. Widerstand oder oppositionelle Haltungen sind schwach und selten. Die Führung kann man als rational charakterisieren, sie vermag eine gewisse Ordnung zu schaffen und ist limitiert entwicklungsorientiert. Geht es um die Kooperation, so lässt sich sagen, dass die wichtigste soziale Institution nicht die Verwandtschaft, sondern die Freundschaft ist. Die einzige, intensiv funktionierende Vereinigung (sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit) ist eine fünfköpfige Männergruppe. Trotz der Norm und dem Profil des Dorfes kann man nicht behaupten, dass die Einwohner eine starke patriotische Bindung zur Gemeinde als Ganzheit hätten. Man kann jedoch konstatieren, dass sie zumindest dem dörflichen Leben treu bleiben. Kemse ist für sie ein momentan ausreichendes Lebensumfeld und auch das gegenseitige Aufeinanderangewiesensein ist für sie sehr wichtig. Die aktuelle Situation ist für sie größtenteils 157