Liszka József (szerk.): Az Etnológiai Központ Évkönyve 2000-2001 - Acta Ethnologica Danubiana 2-3. (Dunaszerdahely-Komárom, 2001)
3. Fórum
Verallgemeinerung und Typisierung kann einerseits von außen kommen (in diesem Falle werden vom Eigenen sich unterscheidende Eigenschaften hervorgehoben, und zumeist werden die “negativen” Erscheinungen betont), andererseits von innen (hier dominieren vorwiegend die Gefühle, doch ist eine selbstironische selbstkritische Auffassungsweise weniger zu spüren). Schopenhauer schreibt: “JedeNation spottet über die andere, und alle haben recht”. Es ist zweifelsohne eine polarisierende Bemerkung, doch durchaus nicht unbegründet: die national-charakterologischen Stereotypien basieren auf jahrhunderte-, ja jahrtausendealten (freilich subjektiven!) Beobachtungen, deshalb ist es nicht möglich, diese mit einer bloßen Handbewegung zu übergehen. Sie drücken etwas ewig Menschliches aus, was sich schon auch in den verschiedenen Spottnamen, in Kinderreimen oder (übrigens ebenfalls international!) Schildbürgergeschichten offenbart. Im nächsten Teil beschäftigt sich der Autor mit jenen Eigentümlichkeiten, die äußerlich für Deutsche typisch zu sein scheinen, bzw. durch die sich die Deutschen mit Vorliebe charakterisieren (beide lassen sich nicht in jedem Falle von einander unterscheiden): so die legendäre deutsche Sauberkeit und Ordnung, Fleiß und Reiselust oder eben die “nationalen” Speisen bzw. ob die Deutschen wirklich eine humorlose Nation seien und ähnliches. Was diese Betrachtung für mich gewissermaßen problematisch oder mindestens einseitig macht, ist, daß der Autor den deutschen Charakter fast ausschließlich vom Gesichtspunkt der Amerikaner, Franzosen, Engländer oder Chinesen aus untersucht. Ene Position dieser Art ist teilweise angemessen, denn aus weiterer Distanz (Franzosen?) betrachted treten die Eigentümlichkeiten und Unterschiede mehr in der Vordergrund; werden sie markanter. Andererseits jedoch, die Frage von Ost-Europa, Ost-Mittel-Europa aus betrachtend, stellt sich heraus, daß das meiste gar nicht so typisch ist, bzw. daß wir es gerade umgekehrt beurteilen würden: nach den Amerikanern zum Beispiel ist es für Deutsche charakteristisch, daß sie ihre Häuser sorgfältig umzäunen; einem Reisenden aus Ost-Europa fällt in Deutschland auf, daß die Häuser gar nicht umzäunt sind. Es wäre wohl wirkungsvoll, Bausingers Beispiele zu glossieren, sie mit osteuropäischen Beispielen, Erfahrungen, Bemerkungen zu konfrontieren, dafür wäre jedoch der Rahmen meines Aufsatzes zu eng. An dieser Stelle darüber nur soviel: die größte Lehre dieses Abschnittes bestand für mich darin, daß - genauso wie alles - auch die nationalen Stereotypien relativ sind. Andererseits, daß die westliche Grenze des deutschen Sprachraums gleichzeitig eine deutlichere kulturelle Grenze bedeutet (vielleicht aber nur in den Köpfen der dort Lebenden?) als die östliche. Klipp und klar: die deutsche Mentalität und Kultur knüpft mit viel mehr Fäden an die östlichen Gebiete Europas an als an westliche. Mit etwas (Selbst- Ironie beschreibt Sándor Márai, der heutzutage auch im deutschen Sprachraum entdeckte ungarische Schriftsteller (der seine Jugendjahre in Deutschland als Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung verbracht hat), in seiner Autobiografie, als er zum ersten Mal (kurz nach dem Ersten Weltkrieg) von Deutschland durch Belgien nach Frankreich fuhr: “Alles war in unseren Augen »europäisch«, der stinkig-ranzige, schäbige Eisenbahnwagen, der dickbäuchige, schnaufende belgische Schaffner in seiner speckigen Jacke mit dem Silbermonogram, die funzlige, röchelnde Gaslampe an der Decke des Kupees und das Eisenbahnbillett, das so »völlig anders«, so »europäisch« aussah, anders jedenfalls als die Billets zu Hause, mit denen man von Kaschau nach Poprad-Felka fuhr... »Europäisch« erschienen uns vermutlich auch das Roßhaar, das aus dem zerfetzten Sitz hing, und die miserable, aschgraue französische Schokolade, die wir auf dem Bahnhof als Proviant gekauft hatten; und der spätsommerliche Regen drückte den sauren Geruch von »europäischen« Kohlenqualm ins Kupee, wo auch wir selbst uns, mit alledem und bei aller Befangenheit, als »Europäer« fühlten” (Sándor Márai: Bekenntnisse eines Bürgers. Erinnerungen. München-Zürich: Piper, S. 204). Bausingers Buch überzeugt mich davon, daß diese alten Stereotypien auch heutzutage noch lebendig sind... 256