Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)

Auswertung

tiert werden? Ist es die Datierung der Kachel, die deshalb als nicht mehr richtig gelten kann? Oder war es nicht der originale Stich, sondern seine seitenverkehr­te Kopie, neugestochen von Israhel von Meckenem (Abb. 114), deren sich der Formschneider bedient hat? Weiterhin: wie lange soll man mit dem Einfluß eines bestimmten graphischen Vorlageblattes rechnen, wenn vom Formschneider für eine Kachel des Hohensalzburger Ofens (1501) 438 die Darstellung „Christi Geburt" des Meisters E.S. (Abb. 106) ebenso aufgegriffen wurde wie um fast ein halbes Jahrhundert früher vom unbekannten Meister zweier Zürcher Kacheln? Unabhängig davon, welche dieser Möglichkeiten in der Wirklichkeit realisiert wurde(n), erhebt sich als nächste Frage, weshalb das Produkt einer bestimmten Werkstatt gerade zu einem gewissen Verbraucher gelangt ist; wie, nach welchen Kriterien hat der Auftraggeber die ihm gefallenden Muster ausgewählt, welche persönlichen Absichten und Kontakte standen im Hintergrund der Gewerbe­und Handelsverbindungen? Um die außerordentlich weitreichende Verbreitung der Erzeugnisse der Werk­statt des Ofens mit Rittergestalten zu erläutern, erarbeitete Imre Holl ein theore­tisches Modell 439 , das auch von anderen übernommen wurde. 449 Er nahm an, daß Ladislaus V. seinen Anhängern in Ungarn, Böhmen und Mähren je einen Ofen mit Rittergestalten geschenkt habe; so wären die Originalprodukte der Werkstatt in allen drei Ländern an die Höfe des Hochadels gelangt. Später wandte er dieses theoretische Modell auch in anderen konkreten Fällen an, so hielt er den Budaer Ofen Regensburger Herkunft für das Geschenk eines dorti­gen Koadjutors, wohl Ruprechts II. 441 , an den Ungarnkönig Matthias und den Dreikönige-Ofen für das eines der bayerischen Herzöge, der die Ofenkacheln oder ihre Model - wie dargelegt - in einer schweizerischen Werkstatt bestellt hatte. 442 Im letzteren Fall wurden von ihm aber auch andere Möglichkeiten in Betracht gezogen. Zwar sei das 1479 geschlossene und 1481 erneuerte Bündnis zwischen dem ungarischen Herrscher und den schweizerischen Kantonen, wie er meint, als Erklärung der Kontakte unzulänglich, doch die Rolle von Hans Hallwil, der sich eine Weile in Ungarn aufhielt und um 1469 wieder nach Hause reiste, dürfte in Kenntnis der Hallwilschen Kacheln auch u.E. vielsagend sein. War er vielleicht identisch mit dem „nobilis a Bern", der anläßlich der Krönung der Königin unter den Gästen erwähnt wurde? 443 In der Umgebung des Ungarn­königs Matthias taucht noch ein anderer Schweizer auf, der Botschafter Melchior Russ, den der Herrscher 1488 in Wien zum Ritter geschlagen und wohl auch mit dem Drachenorden ausgezeichnet hatte. 444 Die Hypothese, prachtvolle Ofenkacheln seien königliche Geschenke gewesen, wurde von István Feld ausdrücklich abgelehnt; er sieht darin die Uber­schätzung des Umlaufwertes von Keramik und schreibt den Vertrieb mittelalterli­cher Kacheln dem Handel zu. 445 Im Falle der Medaillonkacheln wurde Holls Theorie anhand technologischer und chronologischer Argumente eigentlich schon angezweifelt, dennoch kann die von ihm aufgeworfene Möglichkeit aus Mangel an diesbezüglichen Angaben nicht ganz ausgeschlossen werden. Doch auch wir neigen eher dazu, daß Kachelöfen vielmehr eine Art Handelsware als repräsentative Geschenke waren; in diesem Zusammenhang möchten wir nun auf weitere Möglichkeiten zeitgenössischer Verbindungen zwischen dem süd­deutschen Raum und Ungarn hinweisen. Der ungarische Historiker András Kubinyi lenkte unsere Aufmerksamkeit darauf, daß das Patriziat der mittelalterlichen ungarischen Hauptstadt Buda (Ofen) besonders rege Familien- und Handelsbeziehungen zum Bürgertum im oberdeutschen Raum 44 ' 1 pflegte, da es ja selbst deutscher Abstammung war.

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