Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)
Auswertung
Diese Art des Vertriebs bezeugen in unserem Forschungsgebiet nicht zuletzt schriftliche Quellen, die Dreißigstzollbücher von Preßburg, die darüber berichten, daß 1457-58 zwei Meister aus Buda allerlei Töpferware, darunter auch grün und schwarz glasierte Ofenkacheln ('kacheln', 'kachln'), zum Verkauf nach Preßburg geführt haben. 412 Obwohl vorher auch zwischen dem Bodenseeraum und Preßburg vermutet, konnte eine Kachelzulieferung in unserem Material auf 1 grund archäologischer Funde nur in der Relation Zürich - Zug nachgewiesen werden, wobei die Reichweite ganz unterschiedlich war (Fernhandel - Mittelstreckenhandel). Wenn hingegen tatsächlich die fertigen Kacheln und nicht die Negative des Preßburger Ofens vom Bodenseeraum/Oberrhein nach Preßburg geliefert worden wären, so wäre das eines der ersten Beispiele 413 für den Transport mittelalterlicher Ofenkacheln in die überraschend große Entfernung von mehr als 500 km. 414 Allzu häufig mag ein derartiger Fernhandel nicht gewesen sein, da Ofenkacheln äußerst zerbrechlich sind. Wenn aber doch, so dürfte er wie aus späteren Fällen (Kacheltransport auf dem Rhein aus Köln nach den Niederlanden und England 415 bzw. auf der Weser, Werra und Fulda 416 ) zu schließen - hauptsächlich auf Wasserwegen vonstatten gegangen sein; hierbei darf die Bedeutung des Rheins und der Donau 417 nicht unterschätzt werden. Projiziert man nämlich die Fundorte der baumbewachenden Löwen auf eine Karte (Karte 3 bzw. 7), dann fällt sofort auf, daß sie sich von Basel über Regensburg bis Buda an diesen Hauptadern binnenkontinentalen Verkehrs konzentrieren und so das über ihre Rolle im Keramikhandel 418 erhaltene Bild mit weiteren Daten bereichern. - Wandernde Hafner bzw. Ofensetzer mit eigenem Motivschatz, Herstellung von Originalprodukten am Bestimmungsort: Zwar nicht so oft wie bei den Gesellen, doch wird auch im Falle der Meister jederzeit eine gewisse Mobilität angenommen, wenngleich sie noch in keinem konkreten Fall datenmäßig nachgewiesen werden konnte. 419 In diesen Rahmen paßt u.a. Imre Holls mehrfach erwähnte Hypothese 429 , wonach der Meister des Dreikönige-Ofens von Buda vielleicht ein Schweizer war, der auf Einladung an den ungarischen Königshof kam, wo er die Kacheln an Ort und Stelle geformt und den Ofen gesetzt hat. - Weitergabe originaler, kopierter oder nachgeschaffener Muster durch Gesellenwanderung: Den auf Wanderschaft gehenden Gesellen wurden Model (le) mitgegeben oder sie selbst fertigten unterwegs Kopien besonders beliebter Kacheldarstellungen an und führten die Abdrücke mit sich. Obwohl die Gesellenwanderung im zürcherischen Handwerk bereits ab dem 14./15. Jahrhundert belegbar ist 421 , darf ihre Rolle bei der Verbreitung von Kachelmotiven nicht überschätzt werden, und zwar wenn man in Betracht zieht, daß sie am Oberrhein erst am Ende 16./Anfang 17. Jahrhundert verbindlich vorgeschrieben wurde. 422 - Vertrieb originaler, kopierter oder nachgeschaffener Patrizen und Matrizen durch Model(l)handel: Vom 16. Jahrhundert an gibt es eine Fülle von Hinweisen, daß auch Matrizen, vor allem aber Patrizen in größerem Umfang verkauft wurden, daß mit ihnen ein intensiver Handel betrieben wurde. 423 Zwei Merkmale dieses Handels möchten wir unterstreichen, weil sie sich radikal von der traditionellen mittelalterlichen Praxis unterscheiden: 1. Nicht nur auf fertige Erzeugnisse, sondern auch auf „Zwischenprodukte", also auf Modelle und seltener auf Model, 2. weiterhin nicht nur auf ganze Modelle, sondern auch auf Modellteile, Positivelemente erstreckte sich dieser Handel.