Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)
Auswertung
Kreis der Öfen mit Rittergestalten oder dem der Medaillonkacheln zuzuordnen ist. 307 In der Schweiz (Karte 4) gilt sie - den Rosetten ähnlich — unbedingt als ein überregionaler Typ, während sie in der östlichen Region (Karte 8) als Eckkachelverzierung lediglich auf einzelnen Originalprodukten der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten erscheint. Das Beispiel der Rosettenkacheln veranschaulicht zugleich in überzeugendster Art und Weise die Überlappungen, die zwischen den zwei thematischen Hauptgruppen auch in einigen anderen Fällen zu entdecken waren. Der Kachelofen, dessen Überreste in Untervaz (GR) geborgen wurden, bestand überwiegend aus Medaillonkacheln, zwischen die man aber auch Friedrichskacheln eingefügt hatte. Im Schaffhausener Fundkomplex mischten sich Falkner und reitende Damen unter Rosetten und baumbewachende Löwen. Diese beiden Beispiele, die mit zahlreichen weiteren fortgesetzt werden könnten, lassen die Feststellung berechtigt erscheinen, daß der Musterschatz zweier ursprünglich verschiedener Werkstätten oder Werkstattgruppen - dank der intensiven Werkstattbeziehungen - auch an ein und demselben Ofen vereint sein konnte. 308 Daß Motive bzw. einzelne ihrer Elemente miteinander in den mannigfaltigsten Variationen kombinierbar waren, beweisen mährische Nachschöpfungen von Produkten der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten, auf denen zwei Grundmotive der Werkstatt (in der kreisförmigen Ranke der Rosetten ein sich zu seinen Vorderpranken beugender Löwe) als Teile der gleichen Komposition nachgeschaffen wurden. Territoriale Überschneidungen, genauer formuliert Berührungspunkte, wo die Produkte oder zumindest die Wirkungen der beiden Regionen einander „begegneten", gab es ebenfalls, aber merkwürdigerweise nur im Räume der der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten verwandten Kacheln. Der erste Berührungspunkt - wie bereits in der Übersicht erörtert - war Preßburg, wo in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts außer einem Kachelofen des „Ravensburger Typs" auch ein Ofen mit Rittergestalten gestanden hat. Der zweite war Mähren, eine „Mischzone", wo die Einflüsse der schweizerischen Werkstätten und der Werkstatt des Budaer Ofens mit Rittergestalten gleichermaßen zur Geltung kamen. Zwei Motive - eine ausschließlich von hier bekannte Variante der fünfblättrigen Rosetten und der sich zu seinen Vorderpranken beugende Löwe könnten sowohl vom Oberrhein als auch aus Ungarn, ja sogar vom süddeutschen Raum durch ungarische Vermittlung 309 hierher gelangt sein. Ungeachtet dessen, daß beide thematischen Kachelgruppen in beiden Regionen belegt sind, haben zwischen der westlichen und der östlichen Region auch innerhalb eines thematischen Kreises gewisse Unterschiede bestanden. 310 Der auffallendste ist, daß sich von den insgesamt 19 Typen der schweizerischen Medaillonkacheln in Ungarn lediglich 5 fanden 311 , und selbst davon sind zwei Nachschöpfungen. Dabei ist es merkwürdig, warum der Meister letztgenannter nicht die thematisch gleichen und hierzulande wohlbekannten Kacheldarstellungen — d.h. den namensgebenden Typ und den seine Jungen fütternden Pelikan der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten -, sondern Kompositionen fremden Ursprungs nachmodelliert hat. 312 Vielleicht weniger augenfällig, aber dafür umso zahlreicher sind die abweichenden thematischen Merkmale im Bereich der irgendwie mit dem Ofen mit Rittergestalten zusammenhängenden Kacheln. In der Schweiz gelten die Greifenkacheln zwar im allgemeinen als üblich, es gibt aber keine darunter, die mit dem entsprechenden Typ der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten identisch oder ihm ähnlich wäre. 313 Nicht einmal der Pelikan, der auf dem Nest sitzend seine Jungen füttert, kommt im süddeutschen Material vor, ganz zu schweigen