Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)

Übersicht - I. Produkte der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten und verwandte Kacheltypen - b. Baumbewachende Löwen

Prototyp der Brünner Rosette nicht in Buda, sondern am Oberrhein gesucht werden sollte. Diese Feststellung muß u.E. nur leicht modifiziert, präzisiert werden: die eigene Materialaufnahme hat uns davon überzeugt, daß der Schwer­punkt der Produktion von fünfblättrigen Rosettenkacheln auf süddeutschem Boden eher in Zürich als am Oberrhein (in engerem Sinne, z.B. in Basel) lag. Gleichzeitig bezweifeln wir, daß sowohl die Brünner als auch die Budaer Roset­ten auf ein gemeinsames Vorbild, auf die Rosettenkacheln der oberrheinischen Werkstätten zurückzuführen wären 92 , und daß die vom Bodenseeraum bzw. von Zürich ausgehenden Einflüsse nur via Buda nach Mähren gelangen konnten; die übrigen potentiellen Vermittlungswege zwischen den beiden Regionen sollen im späteren besprochen werden. Vorderhand müssen wir uns damit begnügen, daß sich auf der Verbreitungskarte der spätmittelalterlichen fünfblättrigen Rosetten­kacheln zwei große Territorien abzeichnen. Das erste reicht vom Elsaß bis zum östlichen Bodenseeufer bzw. vom Oberrhein bis zum nördlichen Fuße des Hoch­gebirges - hier waren die Rosettenkacheln oberrheinischen Typs verbreitet, ja sogar heimisch (Karte 2). Das andere umfaßt das mittelalterliche Böhmen, Mähren und Ungarn (Karte 6). Das Material der beiden Regionen unterscheidet sich voneinander u.a. auch darin, daß in der westlichen die zahllosen typologi­schen Varianten des oberrheinischen Typs eine verblüffende Ähnlichkeit aufwei­sen - so daß es eigentlich unmöglich war, unter ihnen Originalprodukte, Kopien und Nachschöpfungen abzusondern -, in der östlichen Region aber neben den relativ wenigen Originalerzeugnissen der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten auch ein prozentual größerer Anteil von unmittelbaren Kopien und zunächst zeitlich und/oder typologisch entfernten Anklängen vorkommt. Dieser Unter­schied könnte vielleicht mit der abweichenden Struktur der inneren Beziehun­gen in den beiden Regionen erklärt werden. Allerdings haben diese Regionen miteinander in Verbindung gestanden, was zur Folge hatte, daß sich zwischen ihnen etliche Berührungspunkte herausbildeten, an denen beide Werkstattgrup­pen ihren Einfluß geltend machen konnten. Von diesen Berührungspunkten ist zuerst Preßburg bekannt geworden, als „Brückenkopf der wesüichen Region in östlicher Richtung, wo sich die Überlappungen in Form einerseits des unmittel­baren Transports zwar nicht von Ofenkacheln, sondern von Modeln aus der süd­deutschen Region, und andererseits der Zulieferung von Fertigprodukten aus der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten von Buda 93 melden. Als zweiter kann hierzu Brünn gezählt werden, wo die indirekte Auswirkung der süddeutschen Werkstätten intensiver als in Buda gewesen zu sein scheint. b. Baumbewachende Löwen Das Motiv wird in der gesamten Fachliteratur „baumbewachender Löwe" genannt, diese Bezeichnung deutet aber lediglich auf die dargestellte Komposi­tion hin und läßt ihre ikonographische Bedeutung völlig ungeklärt. In Kenntnis der Durchdringung der mittelalterlichen Kunst mit christlichen Symbolen muß man nämlich annehmen, daß der behandelte Baum mit dem Löwen - der übri­gens im Bereich sowohl der bildenden Künste, als auch der Kleinkünste als ein durchaus atypisches Motiv gilt - eines dieser Symbole, wohl einen Lebensbaum darstellt. Wenn aber diese Hypothese stichhaltig ist, darf die Löwenfigur keines­falls als Wächter, sondern als Überwinder aufgefaßt werden, der vom Baum des Lebens Nahrung erhält. 94 Somit scheint die andere Erklärung - der Löwe sei eine Märchenfigur, der ein Kleinod auf dem Baum oder unter den Wurzeln des Baumes bewacht 95 - weniger wahrscheinlich. Die Interpretation der Darstellung

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