Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)
Einleitung - Terminologisches
iert werden: Ihr Meister hatte irgendwo eine als Muster dienende Kachel gesehen, aufgrund deren er - ohne sie im obigen Sinne zu kopieren - den notwendigen Model fertigte oder ihn anfertigen ließ, mit dem er schließlich die neue Kachel formte. Die Verzierung letztgenannter ist dementsprechend mit der der Originalkachel nie vollkommen identisch, und das Maß der Unterschiede kann, bedingt von den Absichten, dem Geschmack und dem Können des Meisters, durchaus unterschiedlich sein. Es liegt in der Natur der Dinge, daß sich die Spur des Herstellungsvorgangs dieser Nachschöpfungen am schwierigsten verfolgen läßt; der primäre Unsicherheitsfaktor ist gerade die Frage, ob zur Vorlage wirklich eine andere Kachel oder eventuell ein anderes Kunstwerk gedient haben. 2. Indirekte Verbindungen: In diesem Fall sind die nebeneinandergestellten Kacheln selbst während des Herstellungsvorganges nicht miteinander in Kontakt geraten, keine kann also von der anderen abgeleitet werden, sondern alle sind auf eine gemeinsame Vorlage zurückzuführen. Diese Vorlage konnte ein beliebiges Werk der Architektur, der bildenden und/oder der angewandten Künste sein, aber keinesfalls eine andere Kachel (in diesem Fall ginge es ja um eine Nachschöpfung). Doch griff man in erster Linie auf Holzschnitte und Kupferstiche zurück und nur in zweiter Linie auf Münzen, Metallplaketten, Spielkarten usw. Die Verzierung der aufgrund gemeinsamer Vorlagen entstandenen Kacheln kann zwar verblüffend ähnlich, aber nie in allen ihren Details übereinstimmend sein. Die ersten als Kachelvorlagen dienenden Holzschnitte und vor allem Kupferstiche stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, und im 16. Jahrhundert, als sich die Vervielfältigungsverfahren einbürgerten, stieg ihre Anzahl sprunghaft an. Was die Frage betrifft, wie, auf welche indirekte Weise sich die beliebten, modischen Verzierungselemente der Ofenkacheln in dem ihrem massenhaften Auftauchen vorangehenden Zeitalter verbreitet haben, sind wir nur auf Vermutungen angewiesen. Denkbar ist, daß die Kachelformer - wie Steinmetzen, Miniatoren usw. — Musterbücher benutzten, solch ein Musterbuch ist jedoch leider nicht erhalten geblieben. Von der zweiten Hälfte des 15. und vor allem vom 16. Jahrhundert an gelang es aber der Forschung des öfteren, nachzuweisen, daß die kachelmodellierenden Meister Holzschnitte und Radierungen als künstlerische Vorlagen verwendet haben. Diese weitgehend verbreiteten graphischen Werke als gemeinsame Vorbilder erklären vielleicht das Phänomen, wie in weit voneinander entfernten und unabhängigen Werkstätten Ofenkacheln mit nahezu der gleichen Verzierung, sogar oft in beträchtlicher Anzahl, gefertigt werden konnten. Auf ihrer Basis haben ja die Formschneider (Bossierer) gearbeitet, die die Patrizen und/oder Matrizen für die Kachelwerkstätten formten. In mehreren Fällen wird weiterhin angenommen, daß der Künstler der graphischen Vorlagen und/oder der Formschneider der Kachelmodelle/model mit dem Meister identisch war, der schließlich die Kachel selbst in die Form gepreßt hat. Man muß auf jeden Fall damit rechnen, daß die gleichen oder verwandten Motive, die auf Möbeln, Holzschnitten und Kupferstichen, auf Münzen, Ofenkacheln, Holzschnitzereien und Steinmetzarbeiten usw. dieser Epoche erscheinen, häufig solch vielseitigen Künstlern zu verdanken sind, die in mehreren Zweigen der bildenden und der angewandten Künste bewandert waren. 11