Magyar Műemlékvédelem 1961-1962 (Országos Műemléki Felügyelőség Kiadványai 3. Budapest, 1966)

ÜBER DIE ENTWICKLUNG DES ROMANISCHEN GERADEN CHORABSCHLUSSES IN UNGARN (Frcilegung der Kirc/ienruinen in Avas bei Szigliget) Mit der Entwicklungsgeschichte und Verbreitung des Kirchentyps mit geradem Chorsehluß in der arpadenzeit­lichen Architektur hat sich die Wissensehaft bis jetzt wenig beschäftigt. Dabei könnte die Untersuchung bzw. Klärung dieses Problems auch zur Anregung von For­schungen auf anderem Gebiete der arpadenzeitlichen Architektur beitragen. Die Freilegung der Kirchenruinen in Avas bei Szigliget lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die Untersuchung dieser aus mehreren Gesichtspunkten interessanten Frage. Der malerische Avaser Turm auf dem alten Friedhof in der Nähe des Balatons ist ein seit langern bekanntes und registriertes Baudenkmal der Balatongegend. Die Wiederherstellung des durch die Witterung beschädigten Turmes und die damit verbundenen archäologischen Ausgrabungen wurden 1958—1959 durchgeführt. Im Zuge dieser Forschungen stellte man fest, daß der Turm nachträglich an eine Kirche mit geradem Chorschluf3 ange­baut wurde. Auf Grund der Form des unten vier-, in der Mitte sechs- und oben achteckigen Turmes, ferner der am Turm sichtbaren Details, des schießschartenarti­gen Fensters läßt sich die Bauzeit des Turms auf die zweite Hälfte des 13. Jhs. festsetzen. Bei den Ausgrabungen kam das Schiff zum Vorschein, ferner der Chor mit dem anschließenden Ossarium und eine Sakristeikapelle, die sich an das Schiff anschloß. Im Chor fand man auch die Reste des zum Teil unter sekundärer Verwendung römischer Randziegel erbauten Altars. Beim Ausheben der Gräber stieß man auf die einzelnen Schichten der zerstörten Kirche und mehr­fach auch auf ihre Mauern. Das Portal der Kirche fand sich in den Mauerresten neben dem Turm. In der Linie des „Triumphbogens" wurde ein größerer behauener Stein gefunden, der die Altarplatte gewesen sein dürfte. Im Chor kam mit mehreren Fragmenten römischer Ziegel auch das Fragment eines gotischen Ziegels mit zahlreichen kleineren rotbraunen, gelben und grünen Verputzresten zum Vorschein. Ähnliche Mörtelbruchstücke fanden sich auch im Kirchenschiff. In der in Richtung des Turmes und der Sakristeikapelle liegenden Schiffsrnauer sieht man Wandteile in Fischgräten-Technik. Ähnliehe Mauer­reste kamen auch unter dem „Triumphbogen" zum Vor­schein, die sich unter dem Anschluß des Schiffes an den Chor außerhalb des Bauwerks fortsetzen. Die Lage dieser Mauerreste, die Fragmente der sekun­där eingebauten römischen Ziegel und die in der Umge­bung schon früher freigelegten Gräber und Funde deuten darauf, daß an der Stelle der Kirche ehemals ein römisches Bauwerk stand. Dieses Gebiet war im Mittelalter eine vom Balaton und von Flüssen geschützte „Insel", was übri­gens auch der Name andeutet. Die das Gebiel in der zweiten Hälfte des 9. Jhs. besetzenden und zu Beginn des 11. Jhs. den christlichen Glauben annehmenden Ungarn hatten wahrscheinlich bei der Errichtung der Kirche die Reste dieses römischen Gebäudes verwendet. Der gerade Chorschluß dürfte das Ergebnis eines um die Milte des I 'A. Jhs. erfolgt en Umbaus sein. Der Turm wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 13. Jhs., die Sakristeikapelle und das Ossarium im 14. und 15. Jh. erbaut. In der Umgebung sind uns zahlreiche Kirchen mit geradem Chorsehluß bekannt. Die eingehendere Unter­suchung dieses Kirchentyps und ein Vergleich der histo­rischen, ökonomischen und Besitzverhältnisse dieses Gebiets im 13. Jh. bestätigen und präzisieren auch die oben angedeutete Datierung der Bauperiode der ehemali­gen Szigligetei' Kirche mit geradem Chorschluß. Die im letzten Jahrzehnt durchgeführten Ausgrabungen und Denkmalsforschungen ermöglichten diese Arbeit und lieferten zahlreiche Angaben zur genaueren Klärung dieser Frage. Die Kirche der Benediktinerabtei in Pannonhalma, die als das früheste Bauwerk dieser Art gelten darf, ließ Abt Oros, der 1207 aus Tihany nach Pannonhalma ver­setzt wurde, im zweiten Viertel des 13. Jh. umbauen. Die Anregung hierzu schöpfte er vermutlich aus den in der Umgebung errichteten Bauwerken der Zisterzienser (Zirc) sowie den während seiner Italienreise besuchten, neuerbauten Kirchen (Fossanova), in deren Mauern mit geradem Chorsehluß wir eine der Pannonhalmáéi- Kirche ähnliche Fensteranordnung finden. Ähnlich ist auch die Fenster- und Choranordnung der 1232 gegründeten Kirche in Bélapátfalva. Obwohl die Pannonhalmáéi' Kirche auch bei dem Umbau nicht die für die Zisterzien­serkirchen charakteristische Kreuzschiflänlage übernom­men hatte, beweisen die einheitlichen Wandflächen, die Fensteranordnung sowie die in der Unterkirche gefundenem Details (Säulenkapitelle, Wandnischen), daß die; Errich­tung des geraden Chorschlusses zur Zeit des Abtes Ores datiert werden kann. Dieser Bau beeinflußte aller Wahrscheinlichkeit nach die in dieser Zeit und auch etwas später nachweisbare bedeutende Bautätigkeit auf den Besitztümern der Tihanyer Abtei. Obwohl die Unterkirche der Tihanyer Abtei frühe Formen zeigt, wurde; im Zusammenhang mit ihrem geraden Chorschluß die Möglichkeit erwogen, daß sie später entstanden war. Ihre Säulen und Säulenkapitelle sind zwar den Details der Unterkirche der nach Pannonhalma umgesiedelten Mönche ähnlich (Rom, S. Alessio e Bonifazio), doch schließt die letztere mit einem großen halbkreisförmigen Chor, wie im allgemeinen alle unsere frühesten Kirchen und Kathedralen (Pécsvárad, Zalavár, Kalocsa, Székes­fehérvár, Gyulafehérvár, Tarnaszent mária). Der Großteil der Kirchen und Kirchenruinen auf den früheren Besitztümern der Tihanyer Abtei und in den benachbarten Dörfern zeigt einen geraden Chorschluß und ihre Details deuten darauf, daß sie; um die Mitte des 13. Jhs. erbaut wurden. Einen derartigen Grundriß zeigen unter den jetzt untersuchten die Ruinen eler Tihany­Üjlaker Kirche, ferner die Kirchenruinen in tien nahege­legenen Dörfern Apáti, Aszófő (Kövesd) und Orvényes. Ähnlich war auch elie abgetragene Kirche in Nemes­pécsely, die Kirchenruinen in Felsődörgicse, Alsódörgicse und Révfülöp. Die Fenster der rekonstruierten, 1245 erbauten Kisapáter Kirche mit geradem Chorschluß sinel den Fenstern der unversehrt gebliebenen Kirche in Egregy ähnlich. Die genaue Zeit der Errichtung, die Grundrißan­ordnung sowie elie; Fensterformen und -maße der Kis­apáter Kirche liefern sehr wertvolle Angaben zur Erfor­schung der Architekturgeschichte eler ähnlichen Kirchen der Umgebung. Das mittelalterliche Dorf war im Besitz eler Abtei von Pannonhalma, was das Gesagte noch bekräftigt, Auch die Kirche; mit geradem Chorschluß im benachbarten Szigliget konnte nicht viel früher gebaut worden sein als die Kisapáter Kirche. Die Zeit ihrer Errichtung kann zwischen 1245 unel 1262 angenom­men werden, als Szigliget zwei Jahre ebenfalls zum Besitz der erwähnten Abtei gehörte. Damals errichteten die Benediktiner auf dem Festungsberg (Várhegy) eine Burg, von der sie den Eingang zur „Insel" kontrollieren konnten. Es kann angenommen werden, daß der Kirchentyp mit geradem Chorschluß nach elem Vorbild eler Lati inner Zisterzienserkiredien in Ungarn und Italien auf Anregung und Betreiben des Abtes Öre)s in Pannonhalma unel auf elen Benediktiner-Be-sitztümern eingeführt wurde und sich dann auf eler Nordseite eles Balatons verbreitet hatte. In diesem Gebiet wurde die weite Verbreitung eler neuen Form außer durch den starken geistigen und wirtschaft­lichen Einfluß des Benediktinerordens wahrscheinlich auch durch das natürliche Interesse an elen neuem Formen sowie durch die Tätigkeit der Zisterzienser-Werkstätten (Zirc) gefördert. Diesen Prozeß dürfte ele^r starke Lebens­wille; unel das Bauinteresse eler sich von den Verheerungen des Tatarensturmes erholenden Nation sowie ihr wirt­schaftlicher Aufschwung in bedeutendem Maße begünstigt haben, was durch elen auf Veranlassung eles Königs Béla IV. einsetzenden Festungsbau zweifellos bestätigt wird.

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