Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. IV. Band: Vertebrata (Mammalia) (München und Leipzig, 1891-1893)
5. Classe. Mammalia. Säugethiere - 2. Unterclasse. Placentalia - 12. Ordnung. Carnivora. Fleischfresser - 2. Unterordnung. Fissipedia
678 \ V ertebrata. Zeitliche und räumliche Verbreitung der Carnivora fissipedia. Die ältesten ächten Raubthiere erscheinen im oberen Eocaen von Europa und zwar im Lignit von Débruge, im Pariser Gyps, im Süsswassermergel von Süd-England, im Bohnerz des schweizerischen und deutschen Jura und besonders in den Phosphoritablagerungen des Quercy. Die übrigen Welttheile haben bis jetzt keine eocaenen Formen geliefert. Von den sieben Familien sind die Caniden am zahlreichsten durch die Gattungen Cynodidis, Cynodon, Plesiocyon, Pachycynodon , Cephalogale , Pseudamphicyon und Brachycyon vertreten; nächstdem haben die Musteliden in den Geschlechtern Stenoplesidis, Palaeoprionodon, Haplogale, Stenogale, Plesidis und Palaeogale zahlreiche Reste hinterlassen; die Viverriden stellen in Amphidis und Viverra, die Feliden in ? Pseudaelurus , Aeluridis und Eusmüus ihre ältesten Vertreter. Mit Ausnahme der Katzen, welche bereits eine weit vorgeschrittene Differenzirung erkennen lassen, zeigen die Angehörigen aller übrigen Familien soviel gemeinsame Merkmale, dass sie, gehörten sie der Jetztzeit an, voraussichtlich in ein und dieselbe Familie gestellt worden wären. Ihre mässige Grösse, ihr langgestreckter Schädel, die verlängerte Schnauze, die vollständige Ausbildung der Foramina auf der Schädelbasis, ja sogar eine beginnende Theilung der Gehörblase bezeichnet sämmtliche eocaene Raubthiere. Auch das Gebiss hat noch keine nennenswerthe Reduktion erlitten, die P sind meist vollzählig und nur die letzten Höckerzähne oben und unten sind bei den primitiven Musteliden und Feliden geschwunden. Die Reisszähne oben und unten differiren bei den verschiedenen Gattungen nur wenig und die P haben fast überall gleiches Gepräge. Nicht minder entspricht der Skeletbau der eocaenen Fissipeden der Vorstellung, welche man sich von einem primitiven Raubthier zu machen hat. Die Extremitäten besitzen nur mässige Länge, der Humerus fast immer ein Foramen condyloideum, das Femur meist einen dritten Trochanter; Radius und Ulna sind vollständig getrennt, die Fibula noch ziemlich kräftig, die Metapodien wenig verlängert und die Zehen vorne und hinten fast immer in der Fünfzahl ausgebildet. Vergleicht man die obereocaenen ächten Carnivoren mit ihren Vorläufern, den Creodontiern, so können unter diesen nur die Miaciden für die generalisirten Formen als Ahnen in Betracht kommen ; für die eigenartig specialisirten Katzen (Aeluridis und Eusmilus ) wäre eine Abstammung von Palaeonictiden nicht unwahrscheinlich, obwohl immerhin eine ziemlich weite Kluft zwischen beiden besteht. Die schärfere Differenzirung der Raubthiere in die jetzigen Familien vollzog sich in der mittleren Tertiärzeit sowohl in Europa, als auch in Nord-Amerika und Asien. Die wenigen oligocaenen Formen aus Ronzon (Cynodon, Amphicynodon , Plesidis [? Proplesidis ] und Elocyon ) haben noch ganz eocaenes Gepräge; dagegen erscheinen im unteren Miocaen von St. Gérand-le-Puy und den gleichalterigen Ablagerungen von Frankreich, Deutschland (Weisenau, Ulm) und Böhmen (Tuchoritz) bereits eine Anzahl bestimmter charakterisirter Gattungen aus den bereits im Eocaen vorhandenen