Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. IV. Band: Vertebrata (Mammalia) (München und Leipzig, 1891-1893)

5. Classe. Mammalia. Säugethiere - Schädel

20 Vertebrata. welchem ein Blutgefäss und der Unterkiefernerv verlaufen, die zahl­reiche Seitenäste in die Zähne aussenden. Der vom fünften Nerven­paar entspringende Unterkiefernerv, sowie das denselben begleitende Blutgefäss dringen hinter dem letzten Backzahn an der Basis des Kronfortsatzes auf der Innenseite (bei vielen Edentaten auch auf der Aussenseite) durch das Foramen alveolare posterius in den Alveolarcanal ein und treten vorne in der Symphysenregion auf der Aussenseite durch das Foramen mentale wieder aus. Auf der Innenseite jedes Astes verläuft zuweilen eine seichte Furche (Sulcus mylohyoideus), die bei gewissen Beutelthieren besonders deutlich entwickelt ist. Das Zungenbein (os hyoideum) heftet sich in der Nähe des Zitzenbeins durch Bänder an die Schädelbasis an und dient der Zunge und dem Schlund als feste Stütze. Es besteht aus zwei dünnen seit­lichen Aesten (cornua), die durch ein basales queres Verbindungsstück vereinigt werden. Jeder Seitenast ist in der Regel wieder aus mehreren, knorpelig verbundenen Stücken zusammengesetzt. Die Gehirnhöhle wird bei den Säugethieren vom Hirn vollständig ausgefüllt und besitzt eine viel grössere Ausdehnung als bei den übrigen Wirbelthierclassen. Im Allgemeinen zeigt sich bei den verschiedenen Ordnungen eine beträchtliche Abstufung in Grösse und Ausbildung des Gehirns, so dass dasselbe von Owen als Basis der Systematik verwendet wurde. Sehr bemerkenswerth ist die von Marsh zuerst beobachtete Thatsache, dass der Gehirnumfang bei den Säugethieren der Eocaenzeit durchwegs geringer ist, als jener bei verwandten Formen aus dem jüngeren Tertiär oder der Jetztzeit. Ja bei den riesigen eocänen Amblypoden ist die Hirnhöhle so winzig, dass man deren Ausguss durch den Medullar­canal der Wirbelsäule ziehen kann (Fig. 10 A). Auch in der Ausbildung des Gehirns zeigen die geologisch ältesten Formen noch vielfache Ueber­einstimmung mit den Reptilien. Von den drei Abschnitten (Grosshirn oder Vorderhirn, Mittelhirn und Kleinhirn oder Cerebellum) haben die beiden durch eine tiefe Furche geschiedenen und durch den sogenannten Balken (corpus callosum) verbundenen Hemisphären des Grosshirns bei weitem den grössten Umfang; sie erfüllen den vorderen Raum der Schädelhöhle, bedecken das Mittelhirn vollständig, zuweilen auch das Kleinhirn; ihre Oberfläche bleibt bei Monotremen und Beutelthieren glatt (Lyencephala ) , erhält bei den Edentaten, Nagern, Insectivoren und Chiropteren leichte Eindrücke (Lissencephala), die sich bei den Carnivoren, Ungulaten, Cetaceen, Sirenen und Primaten zu vielfach gewundenen und regelmässig verlaufenden Windungen umgestalten

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