Leopold Auer - Manfred Wehdorn (Hrsg.): Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv (2003)
Geschichte - Michael Hochedlinger: "Geistige Schatzkammer Österreichs". Zur Geschichte des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1749-2003
über 71.750 Urkunden, 40.000 Faszikel und 3.000 Bände, so waren es um 1936 trotz der Abtretungen schon 100.000 Faszikel und 30.000 Bände auf einer Stellfläche von 1 8 Kilometern. Unter dem Hakenkreuz Bittner hat also die traditionelle Sonderstellung des Flaus-, Hof- und Staatsarchivs innerhalb der organisatorisch stark zersplitterten österreichischen Archivlandschaft auch in der Zwischenkriegszeit mit Erfolg behauptet. Zwar kam es dienst- und besoldungsrechtlich nach 1918 zu einer Angleichung zwischen den Zentralarchiven, Pläne zur Schaffung einer Generaldirektion der österreichischen Staatsarchive nach italienischem bzw. preußischem Vorbild blieben aber stecken. Allerdings hat die Bundesverfassung von 1920 den wissenschaftlichen und fachtechnischen Archivdienst zur Bundessache erklärt, mit der teilweisen Verländerung von Bundeskompetenzen 1925 ist es aber zwangsläufig zu einer Loslösung der Archive in den Ländern und in weiterer Folge zu einer Verschmelzung der ehemaligen Statthaltereiarchive mit den vormals ständischen Sammlungen bzw. Landesarchiven gekommen. Es war schließlich Bittner, der trotz dieser organisatorischen Pluralität zu einer Art institutioneller Schlüsselfigur des österreichischen Archivwesens wurde. Seit 1928 war er - international hoch angesehen - Leiter des Fachreferats im Bundeskanzleramt zur Besorgung der fachlichen Angelegenheiten des Archivwesens („Archivreferat") und zur Handhabung des Archivalienschutzes, seit 1931 Leiter des wiedererrichteten selbständigen Archivamtes zur Wahrnehmung des Archivalienschutzes. Bittner war seit Studententagen militanter Deutschnationaler gewesen und hatte noch vor dem Anschluß ungeniert mit den deutschen Nationalsozialisten zusammengearbeitet. Dies hat seiner eigenen Karriere und der Stellung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs nach 1938, als es dem Amt des Reichsstatthalters unterstellt wurde, natürlich genützt. Als im Januar 1940 durch die „6. Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des Reichsstatthalters in Österreich" die Wiener Zentralarchive (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Hofkammerarchiv, Finanzarchiv, Archiv des Innern und der Justiz, Unterrichtsarchiv) bis auf das zum Heeresarchiv Wien umgewandelte Kriegsarchiv im Reichsarchiv Wien zusammengefaßt wurden, das unmittelbar dem Reichsminister des Innern unterstand, war klar, daß Bittner an die Spitze der neuen Organisationseinheit treten würde. Durch diese Zentralisierungsmaßnahme war eines der größten Archive der Welt geschaffen. Wie so oft nach politischen Umstürzen ist auch ab 1938 wieder reiches Material in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv gekommen. Aus den ab 1938 besetzten Gebieten, vor allem aus der Tschechoslowakei, wurden zum Teil auch nach 1918 abgetretene Archivbestände nach Wien verschleppt. Bedeutender waren die Zuwächse durch archivamtliche Unterschutzstellungen bzw. Enteignungen von Privat- und Spezialarchiven nach dem Anschluß. Das Zentralarchiv des Deutschen Ordens, die Archive des Sternkreuzordens, des Johanniterordens (Großpriorat Österreich und Böhmen), des Kriegsgeschädigtenfonds und des Familienversorgungsfonds des Hauses Habsburg kamen auf diesem Wege in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Nach 1945 wurden die meisten dieser Privatarchive an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgestellt. Schwieriger Neubeginn nach 1945 Natürlich hat auch die Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv des Reichsarchivs Wien den Weltkrieg nicht ohne schwere Verluste überstanden. Bereits 1942 wurde mit großangelegten Sicherungsmaßnahmen begonnen. Bis 1944, als Benützerdienst und Auskunftserteilung endlich drastisch reduziert werden mußten, waren 250 Möbelwagenladungen Archivalien in Notquartieren auf dem platten Land, teilweise Geistige Schatzkammer Österreichs