1100 Jahre österreichische und europäische Geschichte in Urkunden und Dokumenten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1949)

1100 Jahre österreichische und Europäische Geschichte - Transkriptionen und Erläuterungen

Udorien, Obdorien, Kondimén und anderen (Län­dern) 1) haben Liebe, ein ewiges Bündnis und brüderliche Freundschaft geschlossen mit unserem Bruder Maximilian, von Gottes Gnaden erwähltem römischem Kaiser und allezeit Mehrer des Reiches, König von Ungarn, Dalmatien, Kroatien und anderen (Ländern), Erzherzog von Österreich, Herzog von Burgund, der Bretagne, von Lothringen, Brabant, Steiermark, Kärnten, Krain, Limburg, Luxemburg und Geldern, Grafen von Flandern, Habsburg, Tirol, Pfirt, Kyburg, Artois, Burgund, Pfalzgrafen (Grafen) von Hennegau, Holland, See­land, Namur, Zütphen, Markgrafen des römischen Reiches, von Burgau, Landgrafen im Elsaß, Herrn von Friesland, der Windischen Mark, von Pordenone, Salins, Mecheln und anderen (Ländern) 2). Wir sollen mit ihm in Bruderschaft, Einigkeit und Freundschaft sein, solange wir leben, und unsere Kinder mit eueren Kindern in Freundschaft, Bruder­schaft und Einigkeit, solange es Gott gibt. Und wer uns, den großen Herrscher Vasilij, von Gottes Gnaden Zar und Herrscher von ganz Rußland und Großfürst, Freund sein wird, der sei auch euch Freund und wer uns Feind ist, der sei auch euch Feind, und wer euch, König Maximilian und euerer kaiserlichen Majestät Freund sein wird, der sei auch uns Freund, und wer euch Feind sein wird, der sei auch uns Feind. Und wo euch, unserem Bruder König Maximilian und euerer kaiserlichen Majestät unsere Hilfe vonnöten sein wir’d gegen euere Feinde, da sollen wir euch helfen in Wahrheit nach diesem unserem Vertrag, wie uns Gott hilft. Und wo uns euere Hilfe vonnöten sein w ird gegen unsere Feinde, da sollt ihr uns auch helfen in Wahr­heit nach diesem unserem Vertrag, wie euch Gott hilft. Und wras nun das Unrecht betrifft, das unser und euer Feind Sigmund, König von Polen und Großfürst von Litauen, uns und euch angetan hat — und zwar hält er von unseren Herrschaften unsere Stadt Kiev und andere unserer russischen Städte zu Unrecht in seinem Besitz; ebenso hält er des Deutschen Ordens und andere preußische Städte zu Unrecht unter seiner Herrschaft, und auch jetzt plant er ein Unternehmen, des Deutschen Ordens preußisches Land zu verderben und zu unter­drücken — so wollen wir gegen diesen unseren Feind Sigmund, König von Polen und Großfürst von Litauen, gemeinsam Vorgehen und unsere Sache mit diesem unserem Feind ausfechten, soviel uns Gott hilft, in Wahrheit ohne Hintergedanken nach diesem unserem Vertrag mit euch. Und wir, der große Herrscher Vasilij, von Gottes Gnaden Zar und Herrscher ganz Rußlands und Großfürst, so wie wir mit ihm unsere Sache auszufechten begonnen haben, so tun wir es auch jetzt und so wrerden wir auch in Zukunft unsere Sache mit ihm aus- fechten, soviel uns Gott hilft, und uns unseren Väterbesitz wiedergewinnen. Und ihr, König Maxi­milian und kaiserliche Majestät, sollt nun auch von euerer Seite beginnen, mit unserem Feind Sigmund, König von Polen und Großfürst von Litauen, unsere Sache auszufechten, soviel euch Gott hilft, und sollt auch in Zukunft mit ihm unsere Sache ausfechten in Wahrheit ohne Hintergedanken nach diesem unserem Vertrag mit euch und jene Städte des deutschen Ordens preußischen Landes wiedererlangen, die er zu Unrecht in seiner Macht hält. Und wrer von uns in Zukunft gegen unseren Feind zieht, so sollen wir einander Nachricht zuschicken und unsere Sache mit diesem unserem Feind gemeinsam ausfechten. Ziehen wir, der große Herrscher Vasilij, von Gottes Gnaden Zar und Herr­scher ganz Rußlands und Großfürst, gegen unseren Feind, den König von Polen und Großfürsten von Litauen, oder senden wir unsere Fürsten und Heer­führer in sein Land, so sollen wir euch davon Nachricht geben und ihr sollt selbst gegen ihn ziehen oder euere Fürsten und Heerführer mit eueren Streit­kräften in sein Land schicken und sollt diese Ange­legenheit gemeinsam mit uns durchführen. Zieht ihr aber, unser Bruder Maximilian, römischer und ungarischer König und euere kaiserliche Majestät, gegen diesen unseren Feind oder schickt ihr euere Fürsten und Heerführer, dann sollt ihr uns Nachricht zukommen lassen und wir sollen ebenso nach unserer aufrichtigen Gesinnung und nach diesem x) Der Titel des Moskauer Großfürsten zählt die russischen Teilfürstentümer auf, die sich im Laufe der Zeit unter Moskaus Führung zum neuen russischen Großstaat zusammengeschlossen hatten. „Jugorien“ ist der nördlichste Teil des europä­ischen Rußland, ursprünglich Novgoroder Kolonialgebiet, „Bolgarien“ das Land der Wolgabulgaren, .,Udorien“, „Obdorien“ und ,,Kondinien“ sind westsibirische Landstriche. Im Hinblick darauf, daß die Erschließung Sibiriens offiziell erst 70 .Jahre nach unserem Vertrag einsetzte, ist die Erwähnung von Landschaften östlich des Urals besonders interessant. Sie ist wohl durch die weiträumige Kolonial- und Ausbeutungspolitik der Novgoroder Pelztierjäger zu erklären, die sich solchermaßen nach der Unterwerfung Novgorods im Titel des Moskauer Großfürsten widerspiegelt. 2) In der russischen Wiedergabe der Titulatur Kaiser Maximilians fällt neben vielfach merkwürdiger Transkription der Eigennamen (so für ,,kroatisch“ „karbavskij“, was eher an die küstenländische Grafschaft Krbava erinnert) die Verwendung italienischer Formen für einzelne Rangbezeichnungen auf. So findet sich für „Graf“ neben dem slavischen „Knjaz'" auch das italienische ,,Conte“, für Pfalzgraf „Conte Paladino“, für Markgraf „Marchese“. Man muß hier wohl daran denken, daß schon Ivan III. sich die Gewinnung westeuropäischer Fachleute (Ärzte, Feuerwerker, Architekten usw.) außerordentlich hatte angelegen sein lassen; da der direkte Weg nach dem Westen infolge der ständigen Spannung zu Polen-Litauen selten gangbar ivar, mußte man den Umweg über die Moldau oder sogar über die Krim wählen und daher erklärt es sich, daß zunächst vor allem Italiener nach Moskau kamen. Es ist also leicht möglich, daß auch in der Kanzlei für auswärtige Angelegenheiten ein des Italienischen kundiger Schreiber als Spezialist für die diplomatische Korrespondenz mit dem Westen saß. Daß der aus dem südlichen Grenzgebiet des Reiches stammende Schnitzenpaumer oder sein Gehilfe Balthasar Mager für diesen italienischen Spracheinfluß verantwortlich zu machen wären, ist weniger wahrscheinlich. Ein in den Moskauer Akten erhaltenes Schreiben Schnitzenpaumers ist in deutscher Sprache abgefaßt und zeigt keinerlei derartige Einflüsse.

Next

/
Thumbnails
Contents