Puskás Attila (szerk.): A Szent Titok vonzásában. A hetvenéves Fila Béla köszöntése - Studia Theologica Budapestinensia 32. (2003)

Fehér M. István: Pietismus und Hermeneutik

76 Fehér M. István Subjekt, sondern wie sie wirksam und lebendig vermittelt, weitergegeben werden könnte, ist also Kants Problem. Denn eine Lehre ohne Applicatio, ohne Gegenwartsbezug — dies sind nun Gadamers Worte — ist als werdos anzusehen. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Pietismus erwähnt Kant den ,,wackere[n] Spener“, der die Aufgabe der Religionvortrages darin erblickt hatte, „aus uns andere, nicht bloß bessere Menschen [...] zu machen“;28 29 und obwohl Kant die Spener-Franckische Sekte wegen mystischer Exzesse kritisiert29 und ihr eben seine eigene „auf dem Kritizism der praktischen Vernunft gegründete wahre Religionslehre“30 entgegensetzt, ist es klar, daß diese selbst kraft ihrem Ansatz bei der praktischen Vernunft dem Pietismus immerhin im wesentlichen verpflichtet bleibt. Kant selber hatte einmal bemerkt: „Man sage dem Pietismus nach, was man will, genug! die Leute, denen er ein Ernst war, zeichneten sich auf eine ehrwürdige Weise aus.“31 Kant betont des weiteren die „Wirkung, welche die Lesung der Bibel auf das Herz der Menschen tun mag“,32 und kommt auch über „die biblische Auslegungskunst (Hermeneutica sacra)“33 kurz zu sprechen. Diese Passage verdient aus hermeneutischer Sicht besondere Aufmerksamkeit, so möchte ich sie etwas ausführlicher zitieren und zur Diskussion stellen. „Von der biblischen Auslegungskunst (Hermeneutica sacra)“, so argumentiert Kant, „[...] darf [...] [zweierlei] verlangt werden: daß der Ausleger sich erkläre, ob sein Ausspruch als authentisch oder als doktrínái verstanden werden solle. Im ersteren Falle muß die Auslegung dem Sinne des Verfassers buchstäblich (philologisch) angemessen sein; im zweiten aber hat der Schriftgelehrte die Freiheit, der Schriftstelle (philosophisch) denjenigen Sinn unterzulegen, den sie in moralisch­praktischer Absicht (zur Erbauung des Lehrlings) in der Exegese annimt; denn der Glaube an einen bloßen Geschichtssatz ist tot an ihm selber.“34 Und Kant fügt noch hinzu: „Nun mag wohl die erstere für den Schriftgelehrten, und indirekt auch für das Volk in gewisser pragmatischen Absicht wichtig genug sein, aber der eigentliche Zweck der Religionslehre, moralisch bessere Menschen zu bilden, kann auch dabei nicht allein verfehlt, sondern wohl gar verhindert werden.“35 „Also ist nur die doktrínáié Auslegung“, lautet der Schluß, „[...] die einzige evan­28 Werkausgabe, Bd. XI, 322. 29 Werkausgabe, Bd. XI, 323ff. 30 Werkausgabe, Bd. XI, 328. 31 Rjnk, Ansichten aus Immanuel Kants Leben, Königsberg 1805, 5, zitiert nach CASSIRER, Kants Leben und Lehre, B. Cassirer, Berlin 1921, Neudruck Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1975, 15. 32 Werkausgabe, Bd. XI, S. 331. 33 Ebd. 336. 34 Ebd. 336f. 35 Ebd., 337.

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