Erdő Péter - Rózsa Huba: Eschatologie und Jahrtausendwende 2. Deutsch-Ungarischer Theologentag Budapest, 3. März 2000 - Studia Theologica Budapestinensia 26. (2000)
Karl Schlemmer: Die situation des Christentums im Westen zur Jahrtausendwende
tiger, vor allem wenn es in sensibler Weise um mögliche und entsprechende Angebote seitens der Kirchen geht. III. Mit der Zuweisung der Religion auf die spezialisierten Lebensbereiche der menschlichen Innerlichkeit und des Jenseits und ihrer Verabschiedung aus der politischen und gesellschaftlichen Verantwortung ist im Kern jener Prozeß gemeint, der als Privatisierung des Christentums zu bezeichnen ist. Dieser Prozeß stellt die christlichen Kirchen vor die alles entscheidende Frage, wie sie auf diese Zuweisung entsprechend antworten und reagieren und welche Verkündigungspraxis sie in dieser Gesellschaft für angemessen und für verantwortbar halten sollen. Dabei ist klar, daß sie sich am Maßstab der biblischen Tradition zu orientieren haben. Für mich sind dabei vier elementare, freilich auch fundamental voneinander verschiedene Optionen denkbar. a) die traditionalistische Option Mit dem typisch „progressiven Instinkt der Erzkonservativen" spüren die sogenannten Traditionalisten sehr genau, was mit der beschriebenen Beschneidung der kirchlichen Sendung in der neuzeitlichen Lebenswelt für die Kirchen auf dem Spiel steht. Doch ihrer klaren Diagnose entspricht in keinster Weise eine hilfreiche und weiterführende Therapie. Denn im Grund will die traditionalistische Option die Zurücknahme der neuzeitlichen Prozesse und die Wiederherstellung jener Verhältnisse, wie sie vor allem im 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts üblich waren. Dies ist jedoch gesamtgesellschaftlich nicht zu bewerkstelligen. Deshalb soll wenigstens versucht werden, die spezifischen traditionellen Merkmale der früheren christentümli- chen Gesellschaften innerhalb des eigenen konfessionell-kirchlichen Lebensraumes zu bewahren. Diese Option tritt damit jedoch hinter, den neuzeitlichen Prozeß der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung zurück und läuft letztlich auf eine anachronistische Aufrechterhaltung einer „christlichen" Subkultur hinaus, die in der heutigen gesellschaftlichen Verfaßtheit und Komplexität aber immer mehr zu einem gleichsam religiösen „Naturschutzpark" verkommen muß. Gewiß sind in den heutigen Kirchen Europas noch Restbestände einer 67