Erdő Péter - Rózsa Huba: Eschatologie und Jahrtausendwende 2. Deutsch-Ungarischer Theologentag Budapest, 3. März 2000 - Studia Theologica Budapestinensia 26. (2000)

Karl Schlemmer: Die situation des Christentums im Westen zur Jahrtausendwende

zu einem eigenen Bereich unter vielen anderen geworden ist. Wie es politische Institutionen und Parteien, Verwaltungsapparate und Ge­werkschaften, Bildungswesen und Sport, Unterhaltung und Touristik gibt, so gibt es u.a. auch noch die Kirchen als jene religiösen Teilbe­reiche, die sich freilich als die schwächsten erweisen, insofern die an­deren gesellschaftlichen Teilbereiche nicht mehr auf die Religion an­gewiesen sind, es sei denn höchstens zur Bewältigung von individu­ellen Problemfällen und privaten Sinnkrisen. Versucht man den neuzeitlichen Prozeß der gesellschaftlichen Aufgliederung und folglich der weitestgehenden Privatisierung der Religion auf eine Kurzformel zu bringen, legt sich am ehesten der Vergleich der Situation der modernen Gesellschaft mit einem riesigen Einkaufszentrum nahe, in dem jeder mit seinem Wägelchen herum­fährt und sich diejenigen Produkte aussucht, die er gerne möchte und die er auch braucht. Da das Warenangebot komplett sein soll, hat die Gesellschaft durchaus ein plausibles Interesse daran, daß es in diesem riesigen Einkaufszentrum neben vielen anderen auch eine Abteilung gibt, in der den Menschen religiöse Produkte angeboten werden. Da aber die religiöse Institution nur eine unter vielen ande­ren ist, kann die Frage allein noch die sein, an welchen religiösen An­geboten die Gesellschaft ein, möglicherweise vitales, Interesse hat. Sieht man genauer zu, sind es vor allem zwei gesellschaftliche Be­dürfnisse, die von den christlichen Kirchen abgedeckt werden kön­nen und wo man von ihnen Befriedigung erwartet. Das erste Bedürfnis zeigt sich wie folgt. Die Kirchen sind im Frei­zeitbereich des Menschen von heute angesiedelt und haben von da­her noch immer die Möglichkeit, auf die Lebensführung des einzel­nen Menschen Einfluß zu nehmen. Doch ihre Sendung wird weitge­hend mit der Funktion der Freizeit überhaupt in der neuzeitlichen gesellschaftlichen Lebenswelt identifiziert und von daher als Kom­pensationsfunktion gesehen. Die Kirchen teilen insofern das Schicksal der Freizeit in der modernen Gesellschaft überhaupt. Die Freizeit bleibt nun in der neuzeitlichen Gesellschaft gekettet an ihren Gegen­satz, an die Arbeitszeit, und hat somit der Regeneration der Arbeits­kraft des Menschen, der Kompensation der physisch wie psychisch erschöpfenden Arbeitstätigkeit und der Entlastung von den in der Arbeitszeit erfahrenen Abhängigkeiten und Frustrationen zu dienen. Da die Kirchen im Freizeitbereich des einzelnen Menschen angesie­62

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