Erdő Péter - Rózsa Huba: Eschatologie und Jahrtausendwende 2. Deutsch-Ungarischer Theologentag Budapest, 3. März 2000 - Studia Theologica Budapestinensia 26. (2000)

Karl Schlemmer: Die situation des Christentums im Westen zur Jahrtausendwende

befinden. Selbst der allenthalben feststellbare Boom des Religiösen erweist sich bei genauerem Hinsehen als zweifelhafter Trost, befinden wir uns doch in einer Zeit der „religionsfreundlichen Gottlosigkeit, in einem Zeitalter der Religion ohne Gott"; denn das religiöse Interesse läuft weithin am Christentum vorbei. Verflüchtigt sich jedoch die konkrete Erinnerung an Jesus Christus und verschwindet mit ihr der Gott und Vater Jesu Christi aus dem Bewußtsein, kann bei aller Reli­giosität von christlichem Glauben nicht mehr die Rede sein. Wer sich in der Geschichte nur ein wenig auskennt, der weiß, daß gerade ent­schiedene Minderheiten, wie sich auch in unserem politischen und kulturellem Leben beobachten läßt, den Ton angeben können. So soll­ten Christen weltweit ihre Standpunkte deutlich machen und auf die­se Weise die Mehrheitsmeinung entwickeln oder wenigstens beein­flussen. Dies hat übrigens mit einem elitären Christentum überhaupt nichts zu tun, das nur den „harten Kern" gelten läßt. Denn in den er­sten Jahrhunderten haben die Christen nur insgesamt ihre Heilsge­wißheit und Selbstverantwortung dem heidnischen Hedonismus und Fanatismus erfolgreich entgegengestellt. Und dies ist auch uns Chris­ten heute aufgegeben in einer Zeit, die geradewegs auf ein Neuhei­dentum zusteuert, das viele Gesichter hat. Man kann hier einerseits von einem aggressiven atheistischen Totalitarismus sprechen, der zwar politisch zusammengebrochen ist, doch in der einen oder ande­ren Form wieder auferstehen dürfte - das Beispiel PDS zeigt es klar. Neuheidnisch ist des weiteren ein materialistischer Hedonismus, der gewissermaßen aber letztlich zeitlos ist. Es sind zwei Seiten derselben Medaille. Diese heißen: Selbstgenuß, Selbstverwirklichung um jeden Preis, also das Streben nach Lust und Gewinnmaximierung des ein­zelnen, ohne nach Schuld, Verantwortung und Rechenschaft zu fra­gen. Ethische Werte bleiben dabei auf der Strecke. Und schließlich ist ein Zeichen von Neuheidentum eine egoistische, privatistische, esote­rische Spiritualität, die sich genußvoll um sich selber dreht und we­der die Demut vor Gott kennt noch die Liebe zum sich erniedrigen­den Erlöser. Es geht hier allein um Selbstfindung und Seelenbefind­lichkeit, um die Pflege und Abgrenzung des eigenen Seelengärtleins. Und so sind auch ganze Teile von uns Christen auf diese Weise de­generiert zu „Schönwetterchristen", welche die Kirche als Selbstbe­dienungsladen zur Bedürfnisbefriedigung betrachten und ihre Dien­ste bei Taufe, Trauung oder Beerdigung einfordern und konsumieren, 60

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