Willi Klinkhammer: Krankenhausseelsorge im staatlichen und kirchlichen Recht - Studia Theologica Budapestinensia 21. (2000)

2. Anthropologische und theologische Grundlegung der Seelsorge im Krankenhaus - 2a) Der kranke Mensch

nicht vollends zu bestimmen, da „der kranke Leib also ebenso Leid der unschuldigen wie Bild der schuldigen Seele"58 sein kann. Paul Tillich beschreibt die „Krankheit als Zerfall der Zentriertheit des Organismus".59 Diese Deutung der Krankheit als „Auflösung der Selbstintegration wird durch Auffassungen der psychosomatischen Medizin unterstützt:60 Das Wesen der Krankheit ist nach Meinung von Viktor von Weizsäcker „ganz allgemein 'in einer Art Selbstent- fremdung' zu suchen".61 Schließlich ist die Krankheit als ein offenes Phänomen zu verstehen, das von der Theologie nicht spekulativ um­gedeutet oder vereinseitigt werden darf.62 Andererseits weist die Sicht der Krankheit als Zerfall der Selbst­integration in die richtige Richtung als ganzmenschliches Phänomen, welches als bloßer physiologischer Prozeß nicht hinreichend erklärt werden kann Die Krankheit betrifft vielmehr die ganze Existenz des Menschen, sie ist als eine „Krise des Menschen" zu bewerten.63 2.5 Zusammenfassung Wir haben versucht, mit Hilfe einiger Gesichtspunkte soziologi­scher und psychologischer Natur, die von theologisch-anthropologi­schen Daten ergänzt werden, etwas Licht in das Dunkel des Phäno­mens Krankheit zu bringen. Wir haben eine kleine Antwort darauf bekommen, was Krankheit eigentlich ist, bzw. wie sie vorgefunden wird und wie vielseitig deutbar der Bewußtseinsinhalt Krankheit wohl ist. Auf diesem Hintergrund wollen wir versuchen zu erfahren, welchen Stellenwert der Krankheit im Alten und Neuen Bund einge­räumt wird, ob und welche Antwort dem Volk Gottes des Alten und des Neuen Bundes gegeben wurde. Die Tragfähigkeit möglicher Deu­tungen wie geoffenbarter Antworten Gottes wie ihrer möglichen Ge­genwartseffizienz soll explizit erst später erfolgen, doch im folgenden bereits mit berücksichtigt werden. 58 Tillich, zit. nach Pannenberg, S. 138. 59 Ebd.. 60 Ebd.. 61 Von Weizsäcker, zit. nach: Pastorale, S. 44. 62 Wörterbuch, Artikel: „Krankheit und Schuld”, Sp. 610. 63 Ebd.. 24

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