Gudrun Bohle: Die Frage der Läuterung im Alten Testament - Studia Theologica Budapestinensia 20. (1998)
II. - II.1. Jesaja 6,1-11
Denn im dritten Teil ab v.8. ist ein Ausmaß an Beziehung erreicht, das keineswegs jedem Menschen möglich ist: ein Dialog mit Gott. Dieser beginnt zuerst noch etwas verhalten: in v.8. heißt es, daß Jesaja die Stimme des Herrn gehört hat, die sprach. Gott hat ihn nicht direkt angesprochen (etwa im Sinne von: "Ich hörte den Herrn, der zu mir sprach.." ). Die Fragen des Herrn erscheinen durch das 13^/für uns, an einen sonst nicht näher genannten Rat gerichtet zu sein.113 Diesmal geschieht die Initiative von Jesaja her, indem er sich selbst - gleichsam ungefragt - zur Verfügung stellt: /Siehe. Hier bin ich. Sende mich!. Es ist dies der erste Imperativ der nun folgenden Reihe: der Prophet erklärt sich bereit, Sendung und Auftrag zu übernehmen. Im Rahmen dieses Auftrages kommt auch das Volk wieder in den Blick. Hier hat sich die Richtung geändert: Aus dem 3U' OTlfifr HCŰ "[TIB ich wohne mitten in einem Volk von unreinen Lippen ist mn ny1? mow "[S Geh, und sprich zu diesem Volk! geworden. Durch die neue Beziehung zu Gott, die durch das Ereignis im zweiten Teil (die Entsündigung) möglich geworden ist, hat sich auch die Beziehung des Propheten zum Volk geändert. Er steht nicht mehr mitten im Volk, sondern diesem gegenüber. Er soll aus einer neuen Perspektive auf es zugehen. II.1.6.1.5. Allgemeine Bemerkungen zur Textanalyse. Es mag auffallen, daß bei einer genaueren Betrachtung des Textes, sowohl im beschreibenden Teil, also in der Verteilung der Attribute, als auch bei der Untersuchung der geschilderten Handlungen relativ wenig von Gott die Rede ist. Einen unvergleichlich größeren Raum nehmen die Seraphen ein. Dies stimmt nicht mit dem allgemeinen Eindruck überein, den man bei einem ersten Lesen der Jesajavision bekommt: nämlich, daß es sich hier um eine imposante Vision des mächtigen Jahwe handelt, von dem alles Geschehen im Himmel und auf Erden ausgeht. Hierzu muß betont werden, daß gerade die Tatsache, daß Jesaja es nicht wagt, Jahwe bis in die Einzelheiten hinein zu beschreiben, und daß er Seraphen an seiner Stelle handeln läßt, dazu dient, daß seine Heiligkeit und Majestät noch stärker zum Ausdruck kommen. 113 s.oben 11.1.3.1.3. 56