Gudrun Bohle: Die Frage der Läuterung im Alten Testament - Studia Theologica Budapestinensia 20. (1998)

II. - II.1. Jesaja 6,1-11

allerdings die Modifikationen von W.Zimmerli zu berücksichtigen.22 Im Unterschied zu einem ersten Typ, der geprägt ist von einem "Wortereignis", 23 bzw. “einer persönlichen Zwiesprache Jahwes mit seinem Boten"2*1, steht hier die Vision Jahwes im Mittelpunkt. W.Zimmerli weist auch auf die strukturelle Nähe des vorliegenden Berichtes zur Thronratsvision in 1 Kön 22,19ff hin. Zusammenfassend muß man feststellen, daß Jesaja zwar viel Vorgegebenes verwendet hat und sich an bekannte Formen hält. Aber dies macht er nicht sklavisch, und so gewinnt die Erzählung einen eigenen Charakter25. IL1.3. Traditionsgeschichtliche Elemente des Textes Ähnliches, was über die Gattung des Kapitels gesagt wurde, gilt auch von den traditionsgeschichtlichen Elementen. Der Text weist viele Anknüpfungspunkte auf alttestamentliche, besonders Jerusalemer Traditionen auf. Jesaja scheint im religiösen Leben Jerusalems sehr zuhause gewesen zu sein. Er verwendet die traditionellen Motive mit einer großen Leichtigkeit. Gleichzeitig zeigt sich hier in diesem Kapitel wie auch in der ganzen Botschaft des Jesaja, daß er die Traditionen in einer eigenen Weise übernimmt und ihnen dabei auch einen neuen Sinn gibt. Aufgrund dieser Anleihen in der bekannten Tradition war die Verkündigung für die damaligen Zeitgenossen lebendig. Das macht aber die Deutung des Textes heute schwer, da wir nicht mehr genau feststellen können, ob eine einzelne Vokabel, ein Bild oder eine 22 W.Zimmerli, Ezechiel, BK. XIII/1, ^ 1979: Zur Form- und Traditionsgeschichte der prophetischen Berufungserzählung. S. 16ff. 23 ebd, S. 16. 24 ebd., S. 18. 25 ebd., S. 20: Es handelt sich “nicht um ein starres ‘Formular’ der Sendungserzählung ... Vielmehr ist die Thronvision und die Wortbeauftragung verbindende Berufungserzählung in Jes 6 mit einer auffallenden Freiheit neu gestaltet und neuen Erkenntnissen dienstbar geworden.” 33

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