Anton Millner: "Die Gefangenenseelsorge" - Studia Theologica Budapestinensia 1. (1990)

III. Kapitel. Die theologische Grundlegung und die kirchliche Praxis der Gefangenenseelsorge

Vinzenz von Paul (1576-1660) und Karl Borromäus (1538-1584), der auf zwei Mailänder Synoden auch das Problem der Gefangenen behandelte und rechtskundige Kanoniker zur Rechtsberatung der Gefangenen in die Gefängnisse schickte, nahmen bereits wichtige Gedanken einer modernen Gefangenenbehandlung vorweg 1 Der Jesuit und Gefangenenseelsorger E.WIESNET weist zu Recht auf die Problematik der im Mittelalter einsetzenden Verkettung von Staat und Kirche hin, wobei die Kirche nicht nur profane Rechts- ung Strafmodelle übernahm, sondern auch versuchte, diese theologisch zu legitimieren.1 2 E. WIESNET spricht von der "alttestamentlichen Versuchung der Theologie des Mittelalters",3 wonach Unrecht mit Strafe gerächt und vergolten werden muss und fährt fort: "Überall, wo das Christentum im Abendland zur Staatsreligion geworden ist, die die Einheit des jeweiligen Staates als wichtiger geistiger Pfeiler mitträgt, wird abweichendes religiöses Denken und Glaubensverhalten konsequenterweise zum Staatsverbrechen, dass unnachsichtig verfolgt wird: die verhängnisvolle Ehe von Religion und Machtpolitik erreicht ihren Höhepunkt." Erste Ansätze einer Humanisierung des Strafvollzugs brachte das beginnende 18. Jahrhundert. Zunächtst sind es Einzelpersonen wie der Mailänder C. BECCARIA (gestorben 1794), der Engländer John HOWARD (1726-1790), der Pastor Theodor FLIEDNER (1800-1864) und Johann Heinrich WICHERN (1800-1881) zu nennen. 4 1. Ebd.S.327. 2. Besonders bedauerlich erscheint die aktive Teilnahme der Kirche an Hexen- und Inquisitionsprozessen. 3. Vgl. WIESNET, Eugen: Die verratene Versöhnung, Düsseldorf 1980, S. 144. 4. Vgl. VOIGTS, Werner: Zur Geschichte, Aufgabe und Funktion des Strafanstaltspfarrers. In : KLEINERT, Ulfried: Strafvollzug, München 1972, S. 113 ff. 26

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