Anton Millner: "Die Gefangenenseelsorge" - Studia Theologica Budapestinensia 1. (1990)

I. Kapitel. Enleitung

diesbezügliche Gesetzgebung übertreffen. Dies wird sich - was den Aufbau und den Gang dieser vorliegenden Arbeit anlangt - in der Weise auswirken, dass die Darstellung der staatskirchenrechtlichen, aber auch der partikularrechtlichen Bestimmungen gegenüber jener, die sich aus dem Kodex selbst oder aus gesamtkirchlichen Regelungen ergeben, überwiegt. Die Kanonistik ist auch eine praktische Wissenschaft. "Das besagt, dass sie eine besondere Nähe zu Leben, genauer zum kirchlichen Leben besitzt. Sie ist dazu berufen, dieses Leben zu ihrem Teil zu ordnen und zu gestalten. Sie dient auf diese Weise der Sendung der Kirche."1 Diese Überlegung berechtigt, ja verpflichtet dazu, das Umfeld, in dem der Gefangenenseelsorger wirkt, näher zu beschreiben. Dies wird in der vorliegenden Untersuchung, die sich ja vornehmlich der rechtlichen Stellung des Seelsorgers im Strafvollzug widmet, nur ansatzweise anzusprechen sein. Dennoch darf ein kurzer Aufriss der theologischen Grundlegung für seine Sendung und seine Arbeit, eine kurze historische Darstellung der pastoralen Praxis der Kirche auf diesem Gebiet sowie eine kurze Inblicknahme der besonderen pastoralen Notwendigkeiten, die sich aus der spezifischen Persönlichkeit der Gefangenen - wie sie dem Seelsorger in der Regel begegnen -, ergeben, nicht fehlen. Dies umso mehr, als vieles, was für die rechtliche Situation des Gefangenenseelsorgers bedeutsam ist, sich aus der durch viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte hindurch von der Kirche geübten und bewährten Praxis gewohnheitsmässig ergeben hat. Diese Feststellung bestätigt etwa auch der Umstand, dass in den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland eine Vielzahl von positiven Regelungen existieren, die rechtliche Stellung des Gefangenenseelsorgers normieren; dies im Gegensatz zu Österreich, wo eine fast ähnliche Praxis festzustellen ist, die sich jedoch hauptsächlich gewohnheitsmässig begründet - und die auf einer 1. MAY, Georg und EGLER, Anna: Einführung in die kirchenrechtliche Methode, Regensburg 1986, S. 16. 15

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