Folia Theologica 22. (2011)
Rokay Zoltán: Die Religion und die Religionen bei. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling während seiner zweiten Tätigkeit in München (1827-1841)
106 Zoltán ROKAY Der Polytheismus hat die Mysterienreligion verdrängt (oder verdrängen wollen), die Gottheiten von Samothrace, die Mysterien vom Gottesschicksal und vom Ackerbau (wobei sich Schelling auf Joh. 12, 24 hinweist), musste dann aber wieder dem wahren Monotheismus - der „Offenbarungsreligion", dem Christentum, weichen. Noch spricht Schelling vom Christentum als Religion der Freiheit, nachdem er die mosaische Religion wegen des Ubergangscharakters des Opferwesens als Moment an dem Prozess in der Richtung zum Christentum charakterisiert hat.36 Die Religion der Freiheit und des Geistes wird aber erst anfangen, wenn Christus alle Macht (exusia = Potenz) genommen hat, und zum Haupte derselben geworden ist. So hat Schelling in seiner zweiten Münchener Zeit (1827-1841) auch die Ergäbnisse der Weltalter-Fragmente (Prozess und Potenz) sowie der Rede: Über die Gottheiten von Samothrace (also die Frage der Mysterienreligion) aus seiner ersten Münchener Zeit in seine Vorlesungen integriert. Abschluss Schelling hat in seiner zweiten Münchener Zeit (1827-1841) u. a. über die Philosophie der Offenbarung gelesen. Die „Urfassung" dieser Vorlesungen aus dem akademischen Jahr 1831/32 gewähren uns einen Einblick in seine Gedanken bezüglich dieses Themas. Er vertritt den Standpunkt, dass die Mythologie - und der Polytheismus als Religion zu bestimmen sind, genauso wie die Offenbarungsreligion. Der Monotheismus, sie ist nur eine falsche Religion, welche Schelling mit dem kranken Organismus vergleicht. Schelling musste zu diesem Schluss kommen, insofern er sich die Religion als sich im „Prozess" befindliche vorgestellt und verstanden hat, und die Mythologie als Moment an diesem Prozess begreift. Das Beispiel Schellings belehrt uns, dass dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, in dem Sinne, dass es vom weiten nicht ausgemacht ist, was Religion bedeutet (auch wenn man sich wegen ihrer Eigenart mit einer Umschreibung begnügt), ob wir in diesem Zusammenhang von einer Entwicklung überhaupt sprechen können, und schliesslich, ob 36 Vgl. ebd. 612.