Folia Theologica 16. (2005)
Philipp Ernst Gudenus: Klerikerzölibat im Wiederstreit
KLERIKERZOLIBAT IM WIDERSTREIT 55 wohl den „Enthaltsamkeitszölibat" der Witwen als den „Ehelosigkeitszölibat" der niemals verheiratet Gewesenen1. 2. Wesentlich am Zölibat ist nicht Ehelosigkeit, sondern die Enthaltsamkeit a) Zölibatärer Witwenstand in der Urkirche Denn die Beispiele aus dem Neuen Testament zeigen, daß schon unter den ersten Christen geschlechtliche Enthaltsamkeit auch von solchen Personen gelebt wurde, die vorher verheiratet gewesen waren. Mit anderen Worten: Man konnte sich auch erst später zum „Eunuchen" machen. Wie aus den Pastoralbriefen hervorgeht, wurde jedoch eine gewisse Eignung vorausgesetzt. Paulus trägt seinem Schüler Timotheus folgendes auf: (2 Tim 5,9-12) „Eine Frau soll nur dann in die Liste der Witwen aufgenommen werden, wenn sie mindestens sechzig Jahre alt ist, nur einmal verheiratet war, wenn bekannt ist, daß sie Gutes getan hat, wenn sie Kinder aufgezogen hat, gastfreundlich gewesen ist und den Heiligen die Füße gewaschen hat, wenn sie denen, die in Not waren, geholfen hat und überhaupt bemüht war, Gutes zu tun. Jüngere Witwen weise ab; denn wenn die Leidenschaft sie Christus entfremdet, wollen sie heiraten, und ziehen sich den Vorwurf zu, ihrem Versprechen (das sie Christus gegeben haben) untreu geworden zu sein." Als Zölibatserfordernis wird also ein gewisses „kanonisches Alter" vorausgesetzt, sowie eine durch den Lebenswandel bestätigte Eignung, außerhalb der Ehe sexuell abstinent zu leben. Wer sich nach dem Tod des Mannes gleich mit einem anderen Partner verbunden hat, ist wohl eher zur Ehe berufen als zum Enthaltsamkeiszölibat. b) Bundesformel in den Pastoralbriefen Dieses „Frau eines einzigen Mannes" („èvôç ctvôpoç yx>vr|"), das die deutsche Einheitsübersetzung mit „nur einmal verheiratet" frei wiedergibt, hat aber noch eine weitere, übernatürliche Bedeutung2. Es kommt in der Heiligen Schrift nur an dieser Stelle vor. Es bedeutet of1 Siehe dazu A. M. STICKLER, Der Klerikerzölibat. Seine Entwicklungsgeschichte und seine theologischen Grundlagen. 2. Auflage, Maria aktuell Ver- lagsGmbH, Abensberg 1994, 9-12. Ungarische Übersetzung: A klerikus celibátus, Budapest 1994.