Folia Theologica 16. (2005)
Bronisław Wenanty Zubert: Die Bedeutung der Klausel "Si puella apparet cognita" in der Kanonistik des ausgehenden Mittelalters
B. W. ZUBERT 246 sumtion in Frage zu stellen, indem sie Beweise dafür bringt, dass sie zum Beischlaf gezwungen wurde und dass es daher wegen Verweigerung ihrer Zustimmung nie zur Eheschließung kam44; f) auffallend scheint die Anwendung der hier zu interpretierenden Klausel auf jedes Verlöbnis. Früher wurde diese Klausel im Kontext des Altershindernisses, also unter dem Titel De desponsatione iinpubcrum, besprochen; Didacus Covarrubias dagegen (und die Dekretalisten, auf die er sich beruft) analysierten diese Klausel im Abschnitt De sponsalibus, und zwar im Kapitel De sponsalibus effectu et vinculo, wo ihr Paragraph 1 gewidmet ist: In quo de coitu medio inter sponsalia et matrimonium agitur, ciusquc effectu. Dieser erweiterte Anwendungsbereich kann als Beleg dafür angeführt werden, welche Bedeutung das Dekretalenrecht dem vorehelichen Verkehr der Nupturienten zugemessen hat45. III. Schlussbemerkungen Einem heutigen Kanonisten fällt es schwer, die hier dargebotene rechtliche Institution zu beurteilen. Ihre Einführung und Anwendung fand in einem uns fremden gesellschaftlichen und eklesialen Kontext statt. Die hier vorgestellte Darlegung lässt aber wohl folgende Schlussfolgerungen zu: 1. Der Verlobung kam im Mittelalter eine viel größere juristische und gesellschaftliche Bedeutung zu, als es heute der Fall ist. Daher wäre im Polnischen der Ausdruck „zaslubiny" mehr angebracht (die Konnotation, die dem polnischen Wort „slub" [Eheversprechen bzw. Eheschwur] und „zaœlubiny" inhärent ist, lässt sich im Deutadmitti contra praesumptionem iuris et de iure" (S. 122). Vgl. auch: ZUBERT, Malzenska przeszkoda wieku w prawodawstwie Kosciola Zachodniego (s. Anm. 23). S. 411. 44 Didacus Covarrubias, In quartum Decretalium epitome (s. Anm. 41). P. I, c. 4:,,[...] mulier potest allegare contra praesumptionem [...] se oppressam fuisse vi praecisa, virum autem hoc non posse dicere: quia vir opprimi non potest: nec solent viri a foeminis praecise ad coitum cogi1' (S. 123). 45 Den Autor des vorliegenden Beitrags interessiert ausschließlich die Auslegung der Klausel »Si puella apparet cognita« im Kontext des Altershindernisses. Breiteres Verständnis und Anwendung dieser Klausel können allerdings Objekt einer Sonderstudic im Bereich des mittelalterlichen Eherechts sein.