Folia Theologica 16. (2005)

Bronisław Wenanty Zubert: Die Bedeutung der Klausel "Si puella apparet cognita" in der Kanonistik des ausgehenden Mittelalters

242 B. W. ZUBERT Es empfiehlt sich allerdings, das Augenmerk auf zwei solcher Vorschriften zu richten. a) Die Kanonisten widmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Geständnissen sowie von Beweisen für die Aufnahme der sexu­ellen Kontakte viel Aufmerksamkeit. Im 14. Jahrhundert hat diese Fragen Johannes Andreae, dessen Kommentare die Endphase der klassischen Kanonistik darbieten, am ausführlichsten behandelt 33. Diese Meinung teilten dann auch Antonius de Butrio, Dominicus a S. Geminiano (+ 1424) und Panormitanus. Sie alle behaupteten, dass im Falle einer beeidigten Aussage des Mannes, er habe mit der Frau den Beischlaf vollzogen, seinem Geständnis34 - und nicht der das Gegenteil behauptenden Frau - Glauben geschenkt werden soll. b) Die Frau kann ein solches Geständnis nur dann anfechten, wenn sie sich einer Untersuchung unterzieht, die ihre Jungfräulich­keit bestätigt, oder wenn sie die Gewaltanwendung von Seiten des Mannes zu beweisen in der Lage ist. Der Richter sollte dann den Beklagten vereidigen lassen, wenn er dessen Eid für die endgültige Klärung der Sachlage als notwendig erachtet, denn es geht dabei, um eine sehr ernsthafte Frage, die mit der Erlösung des Menschen eng verbunden ist35. Abbas Panormitanus fügt noch hinzu, man 33 Lectura super quarto libro Decretalium (s. Anm. 25), tit. Il, c. 6 (f. 17 r) 1 c. 10 (f. 19 r). Der Autor bemerkt, dass - wenn der Frau viel daran liegt, die Kontinuierlichkeit des Beischlafs (und damit auch die Gültigkeit der Ehe) zu beweisen -, sie für die Zeit der Auseinandersetzung in loco tuto et honesto untergebracht werden sollte, damit sie keine geschlechtliche Beziehung mit einem anderen Mann aufnehmen und bei der Untersuchung nicht behaupten könnte, dass der Verlust ihrer Jungfräulichkeit Folge des Beischlafs mit ih­rem Verlobten ist. Vgl. ZUBERT. Malzenska przeszkoda wieku w prawo- dawstwie Kosciola Zachndniego (s. Anm. 23). S. 407-409. 34 Vgl. die oben erwähnte Dekretale Continebatur in litteris tuis (X 4. 2. 6) von Papst Alexander III. 35 Antonius de Butrio, Lectura supra quartum librum Decretalium (s. Anm. 28). tit. II, c. 10: „[...] dic ad totum, quod speciale est in iuramento, ut dato quod actor nihil probat tamen propter suspicionem et ut in tali sacramento interce­datur via clara super hoc debeat iurari [...]. Et quia dixi omnino in talibus cu­rare debet iudex ut veritas sibi innotescat propter periculum iuramenti et si reus renuit adiucabitur mulieri“; Dominicus a S. Geminiano, Consilia, Vene­dis 1581. cons. 24 (f. 16 v — 17 r); Nicolaus de Tudeschis, Commentaria in quartum Decretalium librum (s. Anm. 27), tit. II, c. 10; „Host. Et communiter doct. Dicunt quod ubi agitur de sacramento matrimonii debet semper iura- mentum exigi a reo licet actor nihil probet ut veritas tanti sacramenti melius elucescat [...] idem dic ubi vertitur periculum animae [...]“ (f. 21 v).

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