Folia Theologica 16. (2005)
Imre Koncsik: Künstliche Intelligenz - was kann die Dogmatik zur Diskussion beitragen?
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 103 Bezogen auf die Unterschiede kann etwa auf ein prinzipielles Problem moderner Informatik und hier speziell der Programmierung aufmerksam gemacht werden, was eine Einsicht in das Wesen der Software ermöglicht: Software stürzt immer häufiger ab, formal gesprochen: sie verliert ihre Integrität und Kohärenz. Das scheint prinzipiell durch die sukzessive Zunahme ihrer Komplexität - formal: ihrer Differenzierung - bedingt zu sein. Heutige Programmierer operieren mit vorprogrammierten Module bzw. Sequenzen, deren Interaktion sich prinzipiell mathematischer Beschreibung entzieht. Im Klartext: es handelt sich um ein Grundsatzproblem. Wie sich Software verhalten und entwickeln wird, ist nicht mehr prognostizierbar65. „Fehlerbehebung" bedeutet daher meistens eine komplette Reprogrammierung als Neuschreibung der Software. Sie wird unüberschaubar, instabil und entwickelt eine Eigendynamik auf dem Weg zu einem neuen „Systemgleichgewicht" zwecks Rettung der Kohärenz auf einer „höheren" Ebene - hier hilft synergetisches Vokabular weiter. Doch schafft das bislang keine Software, sondern verendet vielmehr in einer klaren Tendenz zur Autodestruktion entweder separater Funktionen oder ihrer gesamten Konsistenz. Hier scheint das Problem der Defizienz eines bewussten Geistes offenkundig, der als holistisch operierender Regulator, Integrator und disponierender Koordinator aktiv tätig ist66. Ferner ist die Software funktional und pragmatisch bestimmt, der Geist jedoch primär als Selbstzweck und Selbststand, also jenseits evolutionstheoretischer Fragen nach seinem entwicklungstechnischen „Nutzen". Ontologisch ist hierfür die relativ separierbare Entität des Geistes ausschlaggebend. Trotz aller Plausibilität der Software als etwas Mentales und nur hinsichtlich seiner Effekte bestimmbares Konstrukt ist die Art ihrer Wechselwirkung mit der Hardware von der Wechselwirkung zwischen Hirn und Geist different: die Software wirkt determinativ, linear und erlaubt auch kein originäres Feedback durch die Hardwa65 ln einem allgemeinen Kontext bei: BARROW, J., Die Entdeckung des Unmöglichen. Forschung an den Grenzen des IVissens, Heidelberg u.a. 1999 66 Das kann zwanglos und widerspruchsfrei zur neurophysiologischen Feststellung eines neurobiologisch erkennbaren „Zentrums“ oder „internen Beobachters“ postuliert werden, insofern der Geist holistisch und dezentral wirkt. Zur neurobiologischen Datenlage siehe Singer. W. (Anni. )