Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

PHILOSOPHIE DES MONCHSEINS 29 Meisterschaft' beweist etwa Evagrius in der literarischen Meister­schaft, die die Komposition seines Werkes zeigt62. Freilich ist ein solches Zusammenspiel im Prozeß der Bildung schon aus den Philosophen-Schulen nach Sokrates bekannt. Die großen Gründerfiguren und ihre Nachfolger (der ,historische' So­krates - wenn auch vielleicht gegen seinen Willen -, Platon, Aristo­teles, auch schon einige Vorsokratiker, dann aber vor allem in den hellenistischen Schulen, gleich ob stoisch-asketischer oder hedoni­stischer Prägung) werden für viele bald zu Vaterfiguren, denen man sich gerade im Wissen um diese Rolle, im Wunsch, von ihnen zu lernen, anschließt. Und der Anschluß an eine bestimmte Schule bedeutet hier eine - noch in geistiger Freiheit getroffene - deutliche Vorentscheidung über die Art des jeweiligen Weges zur Wahr­heit63. Die weitreichende geistige Verwandtschaft des Mönchtums ins­besondere mit den praktischen Aspekten der antiken Philosophie zeigt, daß wir zurecht von einer „Philosophie des Mönchtums" sprechen können. Und das nicht in dem heute inflationär ge­brauchten uneigentlichen Sinn des Wortes als Wesen, Grundidee, Strategie und Bekenntnis einer beliebigen Sache oder Bewegung („Firmenphilosophie", „Philosophie des Fußballs" etc.), sondern tat­sächlich als Einlösung des ursprünglichen griechischen Sinnes ei­ner gelebten Philo-sophie. Es hilft es allerdings nichts, Kirchen- und Mönchsväter wie Evagrius als Philosophen zu bezeichnen, wenn man nicht zugleich betont, daß sich seine philo-sophische „Suche nach Weisheit und Wahrheit" vollends erst über die Weis­heit des Kreuzes und ihre Personifikation in Christus erschließt - eine Vorentscheidung, die natürlich auch jeder Mönch, der sein Ad Monachos zur Hand nimmt, schon getroffen hat. Hier handelt es sich um mehr als um eine bloß abstrakte, vermeintlich offene Wahr­62 Inhaltlich zur Charakterisierung von Evagrius als geistlichem Vater sowie zu Christus als Urbild und .eigentlichem* geistigen Vater vgl. BUNGE, a.a.O. 63 Man vergleiche nur die aufschlußreich-plakativen Charakterisierungen, von denen DIOGENES LAERTIUS berichtet. Eine Ausnahme scheint hier ledig­lich Aristipp V. Kyrene zu bilden, vgl. dazu mein Beitrag „Selbsterkenntnis und Ethik. Zur Philosophie des Aristipp von Kyrene“, in Existentia 10 (2000), 185-212

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