Folia Theologica 15. (2004)
Attila Puskás: Karl Rahner oder Hans Urs von Balthasar: Alternative für die ungarische Theologie?
112 A. PUSKAS Obzwar die Theologie von Rahner mit Recht transzendental genannt wird, trotzdem ist diese Bezeichnung an sich ungenügend, sie bedarf Ergänzung, und diesem Bedarf kann vielleicht der Ausdruck spekulative Hermeneutik am besten genugtun. Diese Ergänzung scheint aus zwei Aspekten nötig zu sein. Einerseits, weil Rahner sich wirklich mit hermeneutischen Problemen beschäftigt hat. Andererseits, weil er selbst in seiner Systembildung nicht nur als Bediener der transzendentalen Methode, sondern in erster Linie als Hermeneut vorangeht.1 Im Mittelpunkt seiner theologischen Hermeneutik steht der Gedanke, daß sich das Heilige Mysterium aus Liebe dem Menschen hingibt. Diese letzte Aussage ist kein Ergebnis der transzendentalen Deduktion, sondern, in der Deutung von Rahner, das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens. Die nachträgliche transzendentale Reflexion kann höchstens die apriori Bedingungen der glaubenden Annahme dieses Geheimnisses als Geheimnis nur formulieren. Rahner interprätiert und erörtert die großen Themen der Theologie aus diesem zentralen Geheimnis ausgehend, aus dem eigentlichen einzigen Mysterium, nach dem das unendliche heilige Geheimnis sich selbst aus Liebe dem endlichen Menschen mitteilt, ohne daß es aufhört unendliches heiliges Geheimnis zu sein. Der Sinn und Zweck der Schöpfung und der Selbsttranszendenz des geschaffenen Menschen ist die göttliche Selbstmitteilung. Die Geschichte des Menschen von Gottes Seite ist die Geschichte des An- bietens der göttlichen Selbstmitteilung, von Seiten des Menschen die Geschichte der Annahme oder der Zurückweisung dieser Selbstmitteilung. Die Religionen sind die Traditionen der guten oder schlechten Objektivierung der göttlichen Selbstmitteilung. Christus ist die totale Annahme der endgültigen, unübertrefflichen 1 Rahner nimmt auf den folgenden theologischen Teilgebieten in hermeneutischen Fragen Stellung: die Deutung der Inspiration der Heiligen Schrift, Beziehung zwischen Exegese und Dogmatik; die Fragen der Deutung von Dogmen und Dogmenentwicklung; die Analyse, wie man zum Glauben kommt; die hermeneutischen Probleme des geschichtlichen Kennenlernens Jesu vor Ostern und letztlich die Hermeneutik der eschatologischen Aussagen. In keinem Fall der genannten geht es um die Deutung von konkreten Texten aus der Bibel, sondern um das Festlegen der Grundprinzipien einer fundamentaltheo- logischen-dogmatischen Hermeneutik. Selbst diese Tatsache an sich begründet die Benutzung des Attributes „spekulativ”.