Folia Theologica 14. (2003)

Zoltán Rokay: Der Prädestinationsstreit des 9. jh-s und die Gnadenfrage

DER PRÄDESTINATIONSSTREIT DES 9. JH-S 159 das Wohl aller war, ist zur Wohnstätte der Bösen geworden. Da werden nicht weniger die Seligen als die Verdammten wohnen; wie aber eben dasselbe Licht den gesunden Augen entspricht, so ist es ein Hindernis für die trauernden. Dieselbe Speise oder dasselbe Ge­tränk ist für die gesunden Gaumen süß, für die kranken bitter.86 Das Mißverstehen der Väter, in erster Linie des Augustinus, stammt aus der mangelhaften Kenntnis der nützlichen Wissen­schaften87 und der griechischen Sprache.88 Das griechische ópco kann man nämlich auf dreifache Weise ins lateinische übersetzen: video, definio, destino. Genauso das Verb TTpoöpw: praevideo, prae­destino. Im Römerbrief und im Epheserbrief gebraucht der Überset­zer das lateinische praedestino, obwohl er auch die anderen zwei Ausdrücke hätte verwenden können.89 „Daraus ist ersichtlich (de­hinc aperte conficitur), daß die drei Verben entweder dasselbe be­deuten, oder daß ihre Bedeutung so nahe verwandt ist, daß man ein beliebiges an Stelle des anderen hätte gebrauchen können."90 Die wenigen Zeilen ermöglichen uns einen ersten Einblick in den Prädestinationsstreit und die „Gnadentheologie" des 9. Jahr­hunderts. Als Bindeglied zwischen der Vätertheologie (vor allem Augustins) und der späteren Entwicklung dieser Kontroverse, ist die Beschäftigung mit ihr unausweichlich und man sollte ihr aus diesem Grund mehr Aufmerksamkeit widmen. 86 „Sive itaque ignis ille corporeus, ut ait Augustinus, sive incorporeus ut Gre­gorio placet ... Non ergo ille ignis est poena, neque ad eam praeparatus vel praedestinatus, sed qui fuerat praedestinatus, ut esset in universitate omnium bonorum, sedes factus est impiorum. In quo procul dubio non minus habita­bunt beati quam miseri; sed sicut una eademque lux sanis ... oculis convenit impedit dolentibus; unus idemque cibus, vel potus faucibus languentibus amarus, sanitate fruentium dulcis” (ebd 429)) 87 „Errorem itaque saevissimum eorum, qui venerabilium Patrum, maximeque sancti Augustini sententias confuse, ac per hoc mortifere ad suum gravissi­mum sensum redigunt, ex utilium disciplinarum quas ipsa sapientia suas co­mites investigatricesque fieri voluit, /ignorantia/ crediderim sumpsisse pri­mordia.” (ebd. 430) 88 „Insuper etiam ex graecarum literarum inscitia.” (ebd.) 89 ebd. 431. 90 „Dehinc aperte conficitur, in his tribus verbis aut eundem sensum esse, aut tantam intelligentiae viciniam, ut unumquodque alterius loco poni possit.” (ebd.) - Die PL drückt ihr Einwand in einer Fußnote aus: „Praedestinationem nihil aliud esse quam praevisionem falsum est. Multa enim praevidentur, quae nec praedestinabitur nec praedefiniuntur.” (ebd. . Note)

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