Folia Theologica 14. (2003)

Zoltán Rokay: Der Prädestinationsstreit des 9. jh-s und die Gnadenfrage

FOLIA THEOLOGICA 14 (2003) 141 Zoltán ROKAY DER PRÄDESTINATIONSSTREIT DES 9. JH-S UND DIE GNADENFRAGE Michael Theunissen stellt in seiner umfangreichen Monographie von Pindar1, im Zusammenhang mit „disdotos" fest: „Das Attribut 'gottgegeben' meint nicht Gnade im Sinne Luthers, eine auf keine Naturbasis angewiesene Gnade, sondern eine Hilfe, die zu Anlage und Anstrengung lediglich hinzukommen muß, damit so etwas wie Sieg möglich wird."2 In den Debatten um die Gnade blieb Augustinus auch nach Tho­mas die maßgebende Autorität. Wir müssen uns aber über die Zeit­spanne im klaren sein, die den Augustinus von Luther, im Falle der Prädestination von Calvin, in der Frage des freien Willens von Eras­mus und wieder von Luther von Banez und Molina, Jansen und Pascal trennt. Wir dürfen nicht die Streitigkeiten und ihre Teilneh­mer vergessen, die in dieser Kette der Tradition die Bindeglieder darstellen. Der Prädestinationsstreit des 9. Jahrhunderts und inner­halb dessen die Gnadenfrage erfüllt eine wichtige Rolle in dieser Zeitspanne als Vermittler und Tradent. Die folgenden Gedanken sollten uns diesen Streit in Erinnerung rufen, und das Verständnis der späteren Folgen leichter machen. Was bedeutet Prädestination? Aus der Heiligen Schrift lassen sich die Behauptungen nicht streichen: „alle, die er voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt (praedestinavit), an We­sen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben" (Röm 8,29), und weiter: „er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt (praedestinavit), sei­ne Söhne zu werden durch Jesus Christus" (Eph 1,5)3. 1 Beck, München, 2000. 2 op. cit. 71. 3 Bibel -Stellen: Aus der Jerusalemer Bibel. -Weitere Stellen die den Prädesti­nationsstreit beeinflußt haben: „Jacob dilexi, Esau autem odio habui” (Röm 9,13 vgl. Mal 1); sowie „Induratio pharaonis” (Ex 7,3); Mk 4,11 folg.: „ne- quando convertantur et dimmittantur eis peccata” Die Antwort auf diese Fra­gen lautet gewöhenlich: „altiora te ne quaesieris” (Eccli 3,32), und: „altum sapere noli, sed time” (Röm 11,20).

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