Folia Theologica 11. (2000)

Peter Henrici: Die Enzyklika zum dritten Jahrtausend. Fides et ratio

8 P. HENRICI zier, Dionysius, Augustinus und schliesslich auch Tertullian.3 Er unter­streicht aber auch, dass „die Begnung des Christentums mit der Philoso­phie weder spontan erfolgte, noch einfach war” (nr. 8); denn ähnlich dem heidnischen Götzendienst trug auch die Philosophie ihre Versuchung in sich, zur Gnosis zu entarten, zu einem rein menschlichen Heilswissen, - ähnlich den „verschiedenen Formen der Esoterik [...], die heutzutage auch bei manchen Gläubigen, denen es am erforderlichen kritischen Sinn mangelt, um sich greifen” (nr.37). Und doch wird man diesen langen ersten Akt christlicher Geschichte vor allem positiv werten, namentlich wenn wir auch seine spätantik­frühmittelalterliche Fortsetzung dazunehmen, von der die Enzyklika schweigt, weil sie nicht unmittelbar die Philosophie betrifft: die Synthe­se zwischen überlieferter antiker Kultur und christlichem Neuheitserleb­nis, die das Mönchtum zustande gebracht hat. Obwohl es nicht ohne Aus- eindersetzungen und nicht ohne die „dunklen Jahrhunderte” abging, wird man dem ersten christlichen Jahrtausend bescheinigen müssen, dass es ihm gelungen ist, aus antikem Erbe und christlicher Botschaft eine neue und grossartige christliche Kultur zu schaffen. So sieht es auch der Papst: „Genau hierin liegt das von den Kirchenvätern vollbrachte Neue. Sie anerkannten voll die für das Absolute offene Vernunft und pflanzten ihr den aus der Offenbarung stammenden Reichtum ein. Zur Begegnung kam es nicht nur auf der Ebene von Kulturen, von denen die eine vielleicht dem Zauber der anderen verfallen war; sie geschah in den Herzen und war Be­gegnung zwischen dem Geschöpf und seinem Schöpfer” (nr. 41). II. Diese Begegnung setzte sich scheinbar ungebrochen ins zweite Jahrtau­send und ins Hochmittelalter hinein fort, und erlebte dort gar ihren Höhe­punkt. Ein langes Zitat aus Anselm von Canterbury (ein Autor, dem man in päpstlichen Dokumenten sonst selten begegnet) und der Übergang zur „blei­benden Neuheit des Denkens des hl. Thomas von Aquin” scheinen das zu bestätigen. Und doch beginnt sich für den Blick des Historikers im Über­gang zum Hochmittelalter die Szene entscheidend zu verändern. Wir müs­sen deshalb von einem neuen, zweiten Akt unseres Dramas sprechen. 3 Vgl. dazu den Kommentar von ENRICO DAL COVOLO in: L’Osservatore Romano, 14, November 1998, S. 8.

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