Folia Theologica 11. (2000)
Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth
IST THEOLOGIE ÜBERHAUPT EINE WISSENSCHAFT? 65 Die Einheit von Schöpfer und Geschöpf konstituiert jede reale und denkbare Einheit der Wirklichkeit. Sie ist analog66 67 68: das Seiende reali- siert sein Sein analog, das wiederum analog zum Schöpfer ist . Jedes Seiende ist zu jedem anderen Seienden mehr oder weniger analog, weil z: o alle Seienden in ihrem Sein analog sind . Folglich muß ihr Sein an sich als das inhaltliche Urbild aller formalen Analogie analog sein. Weil die Einheit des Seins analog ist, sind es auch die Identität und Differenz. Sie sind analoge Modi der Einheit des Seins, d.h. sie stellen gleichwertige analoge Reduktionen der Einheit des Seins dar. Die Differenz ist sowohl in sich selbst analog als auch im Bezug zur Einheit: sie ist analoge Abbildung der Einheit. Dasselbe gilt für die Identität. Die Einheit des Seins bildet sich als Differenz und Identität analog ab. Die analoge Einheit von Schöpfer und Geschöpf realisiert sich durch geschichtliche und dynamische Einigung69 70, also durch analoge Realisation der Einheit: das Seiende realisiert die Einheit primär in und mit sich selbst711, weshalb es die Subsistenz, Widerständigkeit und der Selbstand bzw. Bestand des Seienden als erstes in den Blick kommt71. Sie ist nur mömöglich kraft der Erzeugung von Relationen zu sich, zu anderen und zu Gott. Die Relation vermittelt die Subsistenz des Seienden und umgekehrt72. Woher kommt die Macht zur Realisierung der Einheit durch dynamische Einigung? - Sie resultiert aus der Einheit eines je66 Ders.: Analogie (1965), S. 27: „Also kann das Seiende in seiner Mehrfältig- keit nur analog oder relational gekennzeichnet werden, wenn es auch kraft der immer mitwaltenden Nicht-ursächlichkeit des Seins zugleich an seiner Unableitbarkeit teil hat... Was immer auf diese Weise erscheint, hat zugleich... seinen analogen Bezug, kraft dessen es vom Sein durchspielt ist und auf das Sein hin zurückverweist.” 67 Dieser Grundgedanke wird in SIEWERTH, G.: Analogie (1965), S. entfaltet. 68 Daher kann jede proportionale Analogie auf eine vertikale zurückgeführt werden (SIEWERTH, G.: Analogie (1965), S. 43). 69 Ders.: Sein als Gleichnis (1958), S. 48: „Der Sinn des Daseins ist der, daß er Weg ist zu Gott”. Thomismus (1961), S. 129: das Sein ist „als ihr (sc. der Seienden) Grund nur als unendliche Bewegung verstehbar, die im Entfließen der Wesen sich mit ihnen ausbreitet, ohne sich dabei an sie völlig zu verlieren.” 70 Sekundär werden die Relationen zu anderen Seienden realisiert. Sie sind dennoch konstitutiv für die Einheit des Seins, das nur als Einheit des Seienden mit sich, mit den anderen und mit Gott besteht. 71 ers.: Gott (1971), S. 138-139; Analogie (1965), S. 44. 49; Sein als Gleichnis (1958), S. 44. 72 Siewerth faßt die Differenz als komplementären Begriff zur Subsistenz (Sein als Gleichnis (1958), S. 35-36. 41; Gott (1971), S. 121). Die Relation ist eine Folge der Differenz, insofern sie dynamisch vollzogen und realisiert wird.