Folia Theologica 11. (2000)

Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth

IST THEOLOGIE ÜBERHAUPT EINE WISSENSCHAFT? 63 den Letztprinzip erheben, stehenbleiben zu müssen, muß notwendigerweise die Nicht-subsistenz des Seins des Seienden auf ein subsistentes Sein transzendiert werden51. Anders formuliert: die faktische Einheit des Seins im konkreten Seien­den muß von einem übergeordneten Bezugsrahmen her gegen dialektische Entge­gensetzungen von Sein und Nichtsein durch eine Meta-Einheit gesichert werden, da kein Gegensatz ohne eine ursprünglichere Einheit ist52. Ansonsten wäre die Einheit, Konsistenz und Nicht-widersprüchlichkeit des Seins fundamental ver­letzt. Denn: Sein und Nicht-sein sind nicht dasselbe, sondern befinden sich auf zwei differenten Ebenen: das Nicht-sein kann nur im Vergleich zum Sein ausge­sagt werden und nicht umgekehrt. Vom Sein geht keine Relation zum Nicht­sein53. Was ,ist‘ das Nicht-sein? - Es markiert die ontologische Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf als Differenz des Seins54, da es im Grunde Nicht-Gott- Sein im Sinn eines Nicht-Alles-Seins bedeutet. Weil das geschaffene Sein nicht in sich subsistieren kann, ist es mit dem Nicht-sein eins und ermöglicht kraft des­sen (sic!) das konkrete Seiende55. Das Nicht-Sein bezeichnet den geschöpflichen Modus ,zu sein“, den es mit-vermittelt56. Es erlaubt gemäß klassischen ontologi­schen Konzeptionen eine analoge Gliederung und ontologisch-hierarchische Ord­nung bzw. Stufung der Seienden: ein Seiendes ist von einem anderen insofern different, als es mehr oder weniger oder in anderer Hinsicht Nicht-sein .besitzt1 und positiv seiend, also schöpferisch und individuell ist57. Die Differenz ist für die Positivität des Seienden konstitutiv58. Ohne die ontologische Differenz, deren Ausdruck das Nicht-sein ist, gäbe es kein geschöpfliches Sein. Ergebnis: ohne die Einheit der Identität und Differenz des Seins mit Gott gäbe es keine Schöpfung. Ebenso gilt: ohne die Einheit der Identität 51 Ders.: Schicksal (1959), S. 403: Es „tritt die Nichtsubsistenz... als eine uner­trägliche Seinswidrigkeit hervor, deren Schärfe und Stachel das geschichtli­che Ereignis des Denkens, seine Begegnung auf den im Sein verborgenen göttlichen, subsistenten Grund hin hervorruft.” 52 Ders.: Thomismus (1961), S. 176. 53 Ders.: Sein als Gleichnis (1958), S. 56-57. 54 Ders.: Analogie (1965), S. 48. 55 Ebd„ S. 82. 56 Das darf nicht mißverstanden werden: das Nicht-sein kann aus sich heraus nichts vermitteln. Vielmehr wirkt das Sein, das nicht ganz vereinheitlicht ist, als Zielgrund der konkreten Einheit eines jeden Seienden (so etwa Willens­freiheit (1954), S. 52). 57 Siehe indirekt ders.: Gott (1971), S. 123: „Dieses Nicht-Gott-sein enthält notwendig den ganzen Abgrund an Möglichkeiten, die sich zwischen dem reinen, dreifach subsistenten Sein Gottes und dem absoluten Nichts ausbrei­ten.” 58 Ders.: Thomismus (1961), S. 100.

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