Folia Theologica 9. (1998)
Viktor Papež OFM: Die nationalen Minderheiten in den kirchlichen Dokumenten
36 V. PAPEZ Die nationalen Minderheiten genießen in bestimmten Staaten Schutz, jedoch einen nicht überall gleichen Schutz. Er kann vom negativen Schutz, d.h. lediglich der Verhinderung einer Diskriminierung und der stillschweigenden Zulassung verbunden mit einer Förderung der Assimi- lierung an die Mehrheitsbevölkerung, bis zum positiven Schutz, d.h. dem wahren rechtlichen Schutz der Minderheit, ihrer Eigenart und Besonderheit, reichen. In dieser zweiten Bedeutung spricht man vom rechtlichen Schutz der Minderheit als einem kollektiven Subjekt der Rechte (Rechtssubjekt). Der Rechtsschutz der nationalen Minderheiten wird in den internationalen Dokumenten bisher nicht umfassend und detailliert genug, sondern zu allgemein definiert. Die Mehrheit der internationalen rechtlichen Dokumente spricht über die Grundrechte, die dem einzelnen Mitglied der Minderheit einer Nation zukommen, nicht jedoch von der Gemeinschaft als solcher, die ja auch als Rechtssubjekt und damit als Träger der Rechte in Frage käme. Oft fehlt diesen Dokumenten auch eine strenge rechtliche Verbindlichkeit für die konkrete Praxis. Sie sind eher Empfehlungen oder Äußerungen, wie die einzelnen Staaten ihre Beziehung zu den Minderheiten regeln sollten. 2.) Die internationalen Dokumente über die nationalen Minderheiten Seit dem Jahr 1948, als die UNO die „Erklärung der Menschenrechte” (10. Oktober 1948)10 veröffentlichte, sind bis heute etwa 60 internationale Dokumente herausgebracht worden, die von den Menschenrechten und mittelbar auch von den Rechten der nationalen Minderheiten handeln. Die Idee vom Rechtsschutz für die kollektiven Rechte einer Menschengruppe reifte dabei gesellschaftlich wie politisch nur sehr langsam.11 Als die UNO im Jahre 1952 erklärte, daß der Schutz der nationalen Minderheiten künftig eine der primären Aufgaben dieser Organisation darstelle, begannen verschiedene internationale Organisationen wie auch Einzelpersonen, sich mit diesem Problem zu befassen.12 So zum Beispiel: 10 Assemblée générale des Nations Unies, “Declaration Universelle des Droits de l’homme”, le 10 décembre 1948. 11 A. CASAROLI, “Ansprache vor der UNO - Kommission für die Menschenrechte”, 20. 2. 1989, in L’Osservatore Romano, 20-22. 2. 1989, 6. 12 V. PAPEZ, Per costruire la pace, 639-641.