Folia Theologica 9. (1998)

Karl-Josef Rauber: Mit der Kirche in die Zukunft unter der Führung des heiligen Geistes

MIT DER KIRCHE IN DIE ZUKUNFT 9 turell wirksam zu ermöglichen und lebendig zu halten, das ist die vom Konzil erneut hervorgehobene Sendung des besonderen Priestertums in der Kirche. Die Chance, die uns vom göttlichen Geist gegeben wird besteht deshalb nicht in einem radikalen Umbau der bestehenden Organisation der Dienste und Ämter, noch in einer Eröffnung total neuer Zugänge zum geistlichen Amt, wie zum Beispiel andere Bildungsvoraussetzungen, Auf­hebung des Zölibates, Ordination von Frauen, sondern — und das muß mit aller Deutlichkeit unterstrichen werden — in einem viel gründliche­rem Umdenken, nämlich in einer umfassenden Verlebendigung der Ge­meinden, und zwar in allen Gliedern. Alle Glieder der Kirche sind von den biblisch verstandenen Charismen und vom gemeinsamen Priestertum der Getauften zu Einsatz und Verantwortung aufgerufen. Nur im Kontext der gleichen Würde aller Christen kann man angemessen von den Dien­sten und Ämtern reden. In diesem Lichte müssen alle ihre je verschiedene Aufgabe wahrnehmen, was keine nivellierende Einengung, aber auch keine isolierende Überhöhung des Amtes bedeutet. Jesus Christus ist der bleibende Ursprung aller Dienste und Ämter, die Gaben seines Geistes und die Kirche sind. Von daher muß aber auch der absolute Dienst­charakter dieser Ämter und Dienste gesehen und immer wieder neu erfah­ren werden. Durch den Dienst soll ja nur das heilende Wirken Jesu Christi für die Welt zum Ausdruck kommen. Dies transparent zu machen, darin allein nur liegt die sogenannte Macht der Kirche, ihre Orientierung in die Zukunft. Da die geschichtliche Erscheinungsform dieses Dienstes, ihre Weise der Ausübung von Autorität, von der verbindlichen, bleibenden Grund­form her unterschieden und immer auch von ihr her erneuert werden muß, ist es in diesem Zusammenhang angebracht, den zweiten Problem­kreis: Die ausgehöhlte Autorität anzusprechen. Die Kritik an den Erlassen und Rundschreiben Pius XI. und Pius XII., die von seiten mancher Professoren hinter verschlossenen Türen und mit vorgehaltenen Händen geäußert wurde, entwickelte sich nach dem Er­scheinen der Enzykliken “Humanae Vitae” Paul VI. und “Veritatis Splendor” Johannes Paul II. zur offenen Autoritätskrise. Dies zeigen die vielen negativen Reaktionen, vor allem in den westlichen Ländern, auf diese päpstlichen Verlautbarungen. Sie bezieht sich aber nicht nur auf den Papst und die römischen Behörden, sondern sie betrifft zudem, wohl auch infolge mehrer negativ rezipierter Bischofsernennungen, den Episko­pat und überhaupt alle Amtsträger bis hinein in die religiösen Gemein-

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