Folia Theologica 8. (1997)
Péter Erdő: Das oberste Patronatsrecht der ungarischen Könige in der Forschung von Vilmos Fraknói
162 P. ERDŐ mit das fehlende Dokument zu ersetzen. In der Feststellung dieser Wirkung hat sich Fraknói als außerordentlich erfolgreich erwiesen. Das eben zugänglich gewordene römische Material hat die ganze Praxis der Ernennungen der kirchlichen Würdenträger reichlich dokumentiert. Es hat sich mit voller Sicherheit herausgestellt, daß keine wesentliche Änderung in der Praxis der Beziehungen zwischen Ungarn und dem Heiligen Stuhl in der Zeit nach dem Konzil von Konstanz eingetreten ist. Papst Martin V. hat die Ernennung der Erzbischöfe und Bischöfe aufgrund der päpstlichen Reservationen genauso vorgenommen, wie seine Vorgänger. Dies ist auf zwei verschiedenen Weisen geschehen. Einerseits war der Papst nach dem universalen Kirchenrecht befugt, den durch Versetzung oder durch den Tod des Titulars beim päpstlichen Hof vakant gewordene Bischofssitze zu verleihen16. Andererseits war auch die Praxis erhalten geblieben, nach der der Papst sich die Ernennung des Nachfolgers noch zu Lebzeiten des Vorgängers reserviert hat17. Diese Reservationen standen nicht nur mit dem angeblichen königlichen ’’atronat, sondern auch mit dem Wahlrecht der Kathedralkapitel in Spannung. Ihre theologische Grundlage aber — im Hinblick auf die höchste päpstliche Regierungsgewalt in der Kirche — war ohne Zweifel vorhanden. Diese Umstände erklären, daß durch lange Jehrzehnte im 15. Jahrhundert eine gewisse Konkurrenz um der Verleihung der höheren Benefizien herrschte. Fraknói hat dies einen „verhüllten Kampf’ genannt18. Fraknói sammelt Fälle zur Illustration der Ernennungspraxis nach dem Konzil von Konstanz. Er beruft sich auf den berühmten Fall der Ernennung von Péter Rozgonyi zum Bischof von Veszprém. König 16 Z. B. Clemens IV, Const. Licet ecclesiarum, 27. August 1265 (VI 3.4.2); Nicolaus III, Cupientes (VI 1.6.16 - 1278); Bonifacius VIII, Const. Praesenti (VI 1.15.3); GAUDEMET, J., Le gouvernement de l’Eglise à l’époque classique. II. Le gouvernement local (Histoire du Droit et des Institutions de l’Eglise en Occident VIII/2), Paris 1979, 69, 72; GANZER, K., Papsttum und Bistumsbesetzungen in der Zeit von Gregor IX. bis Bonifaz VIII. Ein Beitrag zur Geschichte der päpstlichen Reservationen (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 9), Köln - Graz 1968, 70 usw. 17 Vgl. GANZER, Papsttum und Bistumsbesetzungen 52-69, 77-82, 376-413; BECKER, H. - J., Reservationen, päpstliche, in Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Hrsg. Erler, A. - Kaufmann, E., IV, Berlin 1990, Sp. 929-930. 18 Nyomozások a pápai levéltárakban 188-189.