Folia Theologica 6. (1995)

Gábor Adriányi: Warum und wie verließ Kardinalprimas József Mindszenty 1971 die amerikanische Botschaft zu Budapest?

WARUM UND WIE VERLIEß MINDSZENTY 75 gegen den Primas vor dem Botschaftsgebäude veranstalten. In diesem Zusammenhang gab es sogar eine Debatte in der UNO-Vollversammlung zwischen dem amerikanischen Delegierten Cabot Lodge und dem ungari­schen Delegierten Péter Mód. Der Moskauer Rundfunkt kommentierte die Ereignisse als eine erneute Provokation des Westens gegen das Volk und die Regierung Ungarns. Der Westen würde Mindszenty selbstver­ständlich in Schutz nehmen, denn dieser hätte doch 1956 mit amerikani­scher Hilfe den Kapitalismus in Ungarn wiederherstellen wollen6. Während in den nächsten Jahren das Verhältnis zwischen dem Primas und Washington unverändert blieb und die amerikanische Regierung, die wegen der Niederschlagung des Aufstandes von 1956 ihre diplomati­schen Kontakte zu Ungarn wesentlich einschränkte, dem ungarischen Wunsch, das .Verhältnis zu normalisieren, nicht nachgab7, vollzogen sich in der Vatikanischen Ostpolitik grundlegende Änderungen. Die ungari­sche kommunistische Partei erkannte diesen Wandel bereits bei der Thronbesteigung von Johannes XXIII. im Jahre 19588. Diese Umstände blieben dem Kardinal freilich nicht verborgen, der neben den ungari­schen Zeitungen fast alle großen Presseerzeugnisse der freien Welt las. Er wußte, der Hl. Stuhl überlegte, ob die gegenwärtige Situation des un­garischen Primas weiter so bleiben kann. Am 18. April 1962 stattete Kardinal Franz König, Erzbischof von Wien, einen Besuch beim Primas ab. Er brachte ein dediziertes Foto des Papstes und die Einladung zum II. Vatikanischen Konzil mit9. Mindszen­ty schaltete sein Radio auf größte Lautstärke und unterhielt sich drei Stunden lang mit seinem Gast. Er unterrichtete König zuerst über die Lage der Kirche in Ungarn. Ausführlich schilderte er die Situation der Bischöfe, vor allem, wie sie immer mehr in Abhängigkeit der kommuni­stischen Regierung gerieten. Während die kommunistische Presse einen ganzen Monat lang (vom 8. März bis 8. April 1962) eine Pressekampa­gne gegen ihn (Mindszenty) veranstaltete, hätten einige Bischöfe mit „Bischof Hamvas alles für normal und korrekt erklärt” und „prahlende 6 N.J. 12,21,22, 28, 31. Okt. 1958. S. 219-221. 7 N.J. 19. März 1962. S. 266. 8 Vgl. das Protokoll des Politischen Komitées der Ung. Sozialistischen Arbei­terpartei vom 12. Mai 1959, in: Új Ember, 9. Mai 1993. S. 2. 9 N.J. 18. Apr. 1968. S. 268-269 und Interview mit Kardinal König in: Vigilia Heft 11/1992. S. 849-854, hier: S. 850.

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