Folia Theologica 6. (1995)

Gábor Adriányi: Warum und wie verließ Kardinalprimas József Mindszenty 1971 die amerikanische Botschaft zu Budapest?

74 G. ADRIÁNYI nalen kommunistischen Presse verbreiten2. Da die gewünschte Resonanz ausblieb, stellten die ungarischen Zeitungen die Angelegenheit in dem Sinne dar, als ob der Hl. Stuhl selber nicht an der Exilierung Mindszen- tys interessiert wäre, da diseser den Vatikan kompromittieren würde3. Der Primas war zu dieser Zeit bereit — angesichts der massenhaften Ver­haftungen, Verurteilungen und Hinrichtungen der am Aufstand Beteilig­ten, auch aus seiner Umgebung — zur Rettung der Betroffenen die Bot­schaft zu verlassen und sich den Behörden auszuliefern, doch winkte Washington ab4. Die westliche Presse verbreitete auf jeden Fall die Nachricht — sie war vielleicht eine von Budapest lancierte Desinforma­tion — daß der ungarische Primas hätte frei ins Ausland gehen dürfen, doch habe er selbst dies entschieden abgelehnt5. Am 9. Oktober starb Papst Pius XII. Die bisherige Agitation gegen Mindszenty erhielt durch das fällige Konklave nunmehr Zündstoff inso­fern, ob, kann oder darf der Kardinalprimas nach Bonn ausreisen. Obwohl die Tagebuchaufzeichnungen Mindszentys in dieser Angelegen­heit unklar sind und man auch nicht weiß, welche Verhandlungen er in dieser Hinsicht führte, scheint es, daß er nur dann bereit war, nach Rom zu reisen, wenn die ungarische Regierung ihm sowohl die Aus- wie die Rückreise garantierte. Das amerikanische State Department richtete im Einvernehmen mit der Konsistorialkongregation eine Note an die ungari­sche Regierung. Es ist anzunehmen, daß die ungarische Regierung die Ausreise des Kardinals unter der Bedingung, daß er nie mehr zurück­kehrte, gerne bewilligt hätte. Da sie jedoch dafür weder von Washington noch von Rom eine Garantie erhielt, hat sie beschlossen, den Primas nicht ausreisen zu lassen und gegen ihn eine Pressenkampagne veranstal­tet. Es erschien eine wahre Flut von Regierungserklärungen und Presse­nachrichten, in denen behauptet wurde, Mindszenty halte sich in der amerikanischen Botschaft gegen das internationale Recht auf, es sei ei­gentlich ein entlaufener Sträfling und man könnte ihn sogar wegen seines Verhaltens wärend der „Konterrevolution” von 1956 unter neue Anklage stellen. Am 22. Oktober 1958 verwarf die ungarische Regierung in einer im Ton beleidigenden Note das amerikanische Angebot, verweigerte die Ausreise für den Kardinal und ließ am selben Tag eine Demonstration 2 N.J. 16. Mai 1957. S. 156. 3 „Ifjúság" vom 23. Nov. 1957, in: N.J. 26. Nov. 1957. S. 180. 4 N.J. 14, 16. Jan. 1958. S. 187-188. 5 „Die Presse" vom 8. und 19. Jan. 1958, in: N.J. 21. Jan. 1958. S. 189.

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